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Mit 80-Cent-Jobs gegen den Arbeits- und Fachkräftemangel?
Diskussion

Mit 80-Cent-Jobs gegen den Arbeits- und Fachkräftemangel?

Symbolbild. Sogenannte „80-Cent-Jobs“ sollen bei Asylsuchenden für eine bessere Integration sorgen. Foto: stock.adobe.com / Chopard Photography
Symbolbild. Sogenannte „80-Cent-Jobs“ sollen bei Asylsuchenden für eine bessere Integration sorgen. Foto: stock.adobe.com / Chopard Photography

Asylbewerbende können für gemeinnützige Arbeit zu „80-Cent-Jobs“ verpflichtet werden. Das soll die Menschen besser integrieren und schrittweise an den Arbeitsmarkt heranführen. Doch funktioniert das?

Bayernweit arbeiten laut bayerischem Innenministerium 4.100 Asylbewerbende in 80-Cent-Jobs. Demnach nutzen in Bayern alle Landkreise und kreisfreien Gemeinden sowie zahlreiche staatliche und gemeinnützige Träger die Arbeitsgelegenheiten. Entlang dieser Arbeitsgelegenheiten entbrennen immer wieder Diskussionen. Kritik kommt etwa aus der Arbeitsmarktforschung und von Hilfsorganisationen für Geflüchtete, während die Politik betont, dass Geflüchtete dadurch unter anderem schrittweise an den Arbeitsmarkt herangeführt werden.

Was sind „80-Cent-Jobs“ und wann dürfen Asylbewerbende arbeiten?

Bereits seit 1993 erlaubt das Asylbewerberleistungsgesetz in Paragraf fünf, Asylbewerbende zu Arbeitsgelegenheiten – auch „80-Cent-Jobs“ genannt – zu verpflichten. Lehnen Asylbewerbende die Tätigkeit ab, ohne eine andere Arbeitsstelle zu haben oder einen Integrationskurs zu machen, können ihnen die Leistungen gekürzt werden.

Bis zu 20 Stunden pro Woche mit einer Aufwandsentschädigung von 80 Cent pro Stunde können Asylbewerbende von Gemeinden, Landkreisen, gemeinnützigen und staatlichen Trägern zu gemeinnützigen Tätigkeiten verpflichtet werden. Zu den Tätigkeiten gehören etwa das Pflegen von Grünanlagen und Kinderspielplätzen, Reinigen in Krankenhäusern oder die Mithilfe in sozialen Einrichtungen wie Gemeinschaftsunterkünften.

Infrage kommen laut Gesetz Asylbewerbende, die arbeitsfähig sind, nicht erwerbstätig, aber leistungsberechtigt und nicht mehr schulpflichtig sind.

Eine generelle Arbeitserlaubnis bekommen Asylbewerbende und Geduldete, die nicht in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen müssen, nach drei Monaten. Müssen sie in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen, dauert es sechs Monate. Sollte klar sein, dass Geduldete abgeschoben werden oder ausreisen müssen, dürfen sie nicht arbeiten.

80-Cent-Jobs: Wie ist die Situation in Augsburg und Region?

Die Stadt Augsburg hat bisher 59 Arbeitsgelegenheiten geschaffen, vier davon sind derzeit besetzt. Laut eigenen Angaben haben sich die Asylbewerbenden dafür freiwillig gemeldet. Die Regierung von Schwaben hat 237 Stellen, den Großteil in ihren Gemeinschaftsunterkünften. Dabei setzt sie auf die Freiwilligkeit der Asylbewerbenden.

Sowohl die Stadt Augsburg als auch die Regierung von Schwaben berichten von positiven Erfahrungen und betonen die Vorteile, die die 80-Cent-Jobs bieten:

  • eine sinnstiftende und tagesstrukturierende Tätigkeit
  • fördern den Spracherwerb,
  • sollen zum sozialen Frieden beitragen,
  • können bei der Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt helfen.

Somit überwiege der Nutzen den erheblichen Zeitaufwand, den die Arbeitsgelegenheiten den staatlichen Stellen durch Einarbeitung und Betreuung bescheren. Laut dem Landkreis Günzburg motiviert das Anbieten von Arbeitsgelegenheiten Asylbewerbende dazu, einen Integrationskurs zu besuchen oder sich eine Arbeitsstelle zu suchen. „Vor diesem Hintergrund stufen wir die Maßnahmen als Erfolg ein“, heißt es vom Landkreis Günzburg.

Negative Effekte von Arbeitsgelegenheiten

Die Arbeitsmarktforschung kommt hier zu einem anderen Urteil. Auch wenn es laut Harald Brücker keine direkte Forschung zu Arbeitsgelegenheiten für Asylbewerbende gibt, wurde generell untersucht, wie sich Arbeitsgelegenheiten auswirken – etwa die „1-Euro-Jobs“ der Hartz-IV-Reformen. „Das Instrument wird in der Arbeitsmarktforschung generell eher kritisch betrachtet“, sagt Brücker. Er forscht beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und beim Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM).

Demnach behindern Arbeitsgelegenheiten, dass die Menschen eine Arbeit im ersten Arbeitsmarkt aufnehmen, statt dies zu fördern. Denn zum einen haben die Menschen dann weniger Zeit, eine Arbeit zu suchen. Zum anderen kann auch der Anreiz sinken, im ersten Arbeitsmarkt zu arbeiten, wenn die Tätigkeit in den Arbeitsgelegenheiten als sinnstiftend empfunden wird. Auch nach Ende der Arbeitsgelegenheiten finden laut Brücker die meisten Studien negative Effekte.

Arbeitsmarktforschung betrachtet 80 Cent-Jobs kritisch

Bezogen auf Geflüchtete geht Brücker davon aus, dass die negativen Effekte von Arbeitsgelegenheiten die positiven überwiegen. „Vor dem Hintergrund des Forschungsstands zu Arbeitsgelegenheiten erwarte ich also, dass ein pauschaler, breit angelegter Einsatz von 80-Cent-Jobs die Integration in den ersten Arbeitsmarkt eher verzögert und insgesamt die Erwerbstätigkeitswahrscheinlichkeit senkt“, sagt Brücker.

Um Asylbewerbende in den Arbeitsmarkt zu integrieren, seien andere Maßnahmen zielführender – wie Integrationskurse, die schnell aufgenommen werden. Zudem müsse vermieden werden, dass etwa Sprachkurse oder Qualifizierungsmaßnahmen durch die Arbeitsgelegenheiten verdrängt werden.

Innenministerium weist Kritik von sich

Das bayerische Innenministerium kann Kritik an den Arbeitsgelegenheiten für Asylbewerbende nicht nachvollziehen und weiß auch nichts von dieser. Auf Anfrage heißt es: „Die Kritik, dass Leistungsempfänger auf dem Weg in den ersten Arbeitsmarkt durch die Wahrnehmung von Arbeitsgelegenheiten nach § 5 Asylbewerberleistungsgesetz behindert werden könnten, ist uns weder bekannt noch erscheint sie nachvollziehbar.“ Denn das Gesetz berücksichtigt Tätigkeiten am ersten Arbeitsmarkt: „Erwerbstätige Asylbewerberleistungsberechtigte dürfen nicht zu einer Arbeitsgelegenheit verpflichtet werden“, schreibt das Innenministerium.

Dieses geht davon aus, dass der Zugang zum ersten Arbeitsmarkt durch einen 80-Cent-Job vielmehr verbessert werde, weil dieser „auf eine Erwerbstätigkeit vorbereitet und so die Chance erhöht, dass ein Arbeitgeber den Asylbewerbende auch beschäftigen möchte.“

IHK Schwaben: Maßnahmen müssen eingebettet sein

Laut Dr. Christian Fischer, Leiter der Abteilung Ausbildung bei der IHK Schwaben, können Maßnahmen sinnvoll sein, die erste Einblicke in Arbeitsabläufe und Orientierung ermöglichen – wenn diese Maßnahmen „in weiterführende Qualifizierungs- und Integrationspfade eingebettet“ sind. Um zugewanderte Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, müssen Sprachförderung, Qualifizierung, praktische Erfahrungen und rechtliche Klarheit ineinandergreifen. „Integrationsmaßnahmen sollten nicht isoliert stehen, sondern Teil einer abgestimmten Gesamtstrategie sein“, sagt Fischer.

Ob und inwieweit die Arbeitsgelegenheiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz langfristig zur Integration in den Arbeitsmarkt beitragen, lässt sich laut Fischer derzeit nicht belastbar beurteilen.

Zahlreiche Hürden für Unternehmen

Bekannt ist dagegen zum einen, dass die deutsche Wirtschaft wegen des Arbeits- und Fachkräftemangel auf Zuwanderung angewiesen ist. Zum anderen ist auch bekannt, dass Unternehmen immer wieder auf Hürden stoßen, wenn sie geflüchtete Menschen beschäftigen wollen.

Laut Fischer sind das vor allem:

  • langwierige Verfahren, bis Geflüchtete eine Arbeitserlaubnis haben,
  • aufwendige Anerkennungsprozesse für ausländische Berufsabschlüsse,
  • rechtliche Unsicherheiten im Aufenthaltsstatus,
  • fehlende Transparenz bei Zuständigkeiten und Verfahren.

„Diese Faktoren wirken als Hemmnisse, obwohl auf Unternehmensseite eine hohe Bereitschaft besteht, geflüchtete Menschen zu beschäftigen oder auszubilden“, sagt Fischer.

Die IHK Schwaben fordert daher, dass berufliche Qualifikationen schneller und leichter anerkannt werden, die Beschäftigungserlaubnis schneller ausgestellt wird, bereits während des Asylverfahrens Sprachförderung und berufliche Qualifizierung kombiniert werden und sogenannte One-Stop-Lösungen für Unternehmen – also zentrale Anlaufstellen.

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