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B4BSCHWABEN.de: Welche Maßnahmen im Koalitionsvertrag stärken aus Ihrer Sicht die Innovationskraft der deutschen Unternehmen?
Niklas Gouverneur: Was ich sehr positiv bewerte ist das Thema Gründung. Durch einen Bürokratieabbau soll es ermöglicht werden, ein Unternehmen innerhalb von 24 Stunden zu gründen. Wenn das klappt, wäre das sehr positiv für die vielen Gründungswilligen hier in der Region. Außerdem soll der Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gestärkt werden. Wir haben drei ausgezeichnete Hochschulen und eine Universität in Bayerisch-Schwaben. Es gibt bereits viele Kooperationsprojekte zwischen den Unternehmen und Hochschulen, an denen auch die IHK beteiligt ist. Die technologieoffene Hightech Agenda ist für Spitzentechnologie wie Künstliche Intelligenz und Quantentechnologie ebenfalls wichtig. Das sind alles Themen, die die Innovationskraft unserer Region und die Zusammenarbeit von Unternehmen und Wissenschaft stärken. Wir sind ein innovativer Standort und davon werden wir profitieren.
Vor der Wahl waren die Forderungen aus der Wirtschaft sehr deutlich: weniger Bürokratie, niedrigere Energiekosten und steuerliche Entlastungen. Was davon ist im Koalitionsvertrag übriggeblieben?
Tatsächlich einiges. Der Koalitionsvertrag, der von Union und SPD vorgestellt wurde, enthält viele wichtige Schritte, die wir als IHK schon lange gefordert haben. Aber man muss sagen, die große Wirtschaftswende, die wir ebenfalls gefordert haben, ist leider ausgeblieben. Gerade bei den Themen Digitalisierung, Bürokratieabbau, auch Arbeitsmarkt und Fachkräfte sind viele richtige Maßnahmen dabei, aber die großen strukturellen Reformen beispielsweise bei den Themen Haushalt oder Rente sind leider aktuell nicht enthalten. Wir haben die Hoffnung, dass das im Regierungsalltag noch nachgelegt wird.
Welche strukturellen Dinge haben Sie sich gewünscht, die nicht enthalten sind?
Bei der Steuerpolitik haben wir uns schon länger dafür eingesetzt, die Unternehmenssteuer deutlich zu senken – auf 20 bis 25 Prozent. Das wäre dann ein vergleichbares Niveau, wie es in anderen Ländern, mit denen wir im Wettbewerb stehen, existiert. Der Koalitionsvertrag sieht vor, erst 2028 anzufangen und den Steuersatz für Körperschaften dann jährlich um einen Prozentpunkt zu senken. Dafür gibt es sofort beschleunigte Abschreibungsmöglichkeiten in den ersten drei Jahren nach einer Investition. Das ist eine richtige Maßnahme, aber wir hätten uns gewünscht, dass es viel schneller eine klare Reduktion der Unternehmenssteuern gibt.
Schneller abschreibbare Investitionen, schrittweises Absenken der Körperschaftssteuer ab 2028 – welche Auswirkungen erwarten Sie von dieser Steuerpolitik auf den Mittelstand und die Großunternehmen?
Das Ziel ist es, dass Investitionen in Ausrüstungsgüter angereizt werden. Das ist wichtig, um den Kapitalstock zu erneuern, neue Maschinen anzuschaffen, alte zu ersetzen und damit eine Produktivitätssteigerung zu erreichen. Oder die Unternehmen investieren in neue KI-Systeme und Produkte, um bei ihrer digitalen Transformation einen Fortschritt zu erzielen. Wenn die Unternehmen Investitionskosten degressiv abschreiben können, also schneller als es bisher der Fall war, dann ist schon zu erwarten, dass sie stärker investieren als bisher. Auch die spätere Steuersenkung wird dazu führen, dass die Unternehmen mehr Liquidität für Investitionen bereit haben, um auf dem internationalen Markt besser bestehen zu können.
Laut dem Koalitionsvertrag soll der Strompreis um fünf Cent pro Kilowattstunde gesenkt werden – über die Stromsteuer, die Umlage und Netzentgelte. Etwa bei Mehrwertsteuersenkungen kommt diese Steuerreduzierung am Ende oft gar nicht beim Verbraucher an, weil die Unternehmen sie einbehalten. Ist das in diesem Fall auch zu erwarten?
Ich erwarte nicht, dass das passieren wird. Wir befürworten diese Maßnahmen, weil die deutschen Energiepreise im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoch und damit nicht wettbewerbsfähig sind. Insgesamt ist es auf jeden Fall eine wichtige und richtige Entlastung für die Unternehmen.
Die deutschen E-Autos sind zu teuer, vor allem im Vergleich mit China. In Deutschland ist der Absatz auch gesunken. Gleichzeitig rückt das Verbrenner-Aus in der EU näher. Im Koalitionsvertrag stehen jetzt unter anderem Kaufanreize für E-Autos und dass die Kfz-Steuer für E-Autos bis 2035 ausgesetzt werden soll. Kann das die deutsche Autoindustrie wieder in Schwung bringen?
Das muss man sehr differenziert betrachten. Die Förderung für E-Autos gab es schon, dann wurde sie abrupt eingestellt, jetzt soll sie wieder kommen. Was positiv ist: Es gibt zumindest Planungssicherheit, wenn es entsprechende Fördermaßnahmen gibt. Aber: wir setzen trotz des globalen Trends hin zur Elektromobilität auf Technologieoffenheit. Langfristig wird sich die Antriebstechnologie durchsetzen, die tatsächlich gekauft wird.
Wie bewerten Sie die Pläne in Bezug auf die Autoindustrie insgesamt?
Die Autoindustrie ist eine Leitbranche der deutschen Industrie und Wirtschaft. Die gesamte Industrie befindet sich gerade in einer herausfordernden Transformation. Damit diese gelingen kann, müssen unsere Produkte international wettbewerbsfähig sein – dazu brauchen wir eine breit angelegte Standortpolitik. Das heißt, wir müssen die Rahmenbedingungen für die Unternehmen allgemein verbessern: in der Steuerpolitik, in der Energieversorgung, beim Thema Arbeits- und Fachkräfte. Der Fahrzeugbau ist eine wichtige Branche für die Region, wir haben hier in Bayerisch-Schwaben rund 54. 000 Beschäftigte in der Kern-Industrie und bei den Zulieferern.
Kann es mit den Maßnahmen im Koalitionsvertrag gelingen, dass die deutsche Wirtschaft wieder stärker wird?
Die zukünftige Koalition hat es sich selber hineingeschrieben: Sie möchten das Wirtschaftswachstum um jährlich einen Prozentpunkt steigern. Für dieses Jahr sind die Prognosen der großen Institute allerdings verhalten bis pessimistisch. Sie gehen erst ab 2026 wieder von einem stärkeren Wirtschaftswachstum aus, was auch an der Zollpolitik der Trump-Administration liegt. Grundsätzlich haben die Maßnahmen des Koalitionsvertrags schon das Potenzial, wirtschaftsfördernd zu wirken. In welchem Ausmaß sie greifen, hängt allerdings sehr vom zeitlichen Fahrplan und der bürokratiearmen Ausgestaltung ab. Also das bleibt abzuwarten.
Stichwort Bürokratie. Im Koalitionsvertrag haben sich die Parteien vorgenommen, die Bürokratiekosten für die Wirtschaft um 25 Prozent beziehungsweise 16 Milliarden Euro zu reduzieren. Ist das realistisch?
Alle Themen, die unter den Überschriften „Bürokratieabbau“ oder „Verwaltungsdigitalisierung“ ihren Platz im Koalitionsvertrag gefunden haben, sind richtig und wichtig. Es ist auch ein positives Signal, wenn es jetzt ein Digitalministerium geben soll. Ob allerdings die Ziele zu erreichen sind, hängt davon ab, wie das Geschriebene konkret umgesetzt wird. Es ist auf jeden Fall der richtige Ansatz, ein richtiges Ziel, weil die Bürokratie – das sehen wir auch in unserer Konjunkturumfrage – immer als großes Hemmnis von den Unternehmen genannt wird. Deswegen muss etwas passieren. Ein Punkt, den ich in diesem Zusammenhang gerne hervorheben will, ist das Lieferkettengesetz. Das deutsche Lieferkettengesetz soll gestrichen und durch eine europäische Lösung ersetzt werden. Das ist wirklich ein positives Signal.
Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber hat vergangene Woche auf dem Rocketeer Festival gesagt, dass ihr Herz beim Koalitionsvertrag höhergeschlagen hat. Nämlich an der Stelle, dass die Luft- und Raumfahrt gefördert werden und es sogar ein Ministerium für Raumfahrt geben soll. Die Branche ist hier in Bayerisch-Schwaben sehr stark. Wie kann unser Wirtschaftsraum davon profitieren?
Die Luft- und Raumfahrt ist wirklich eine unserer Leitbranchen hier in Bayerisch-Schwaben. Deswegen ist es sehr erfreulich, dass diese Branche im Fokus des Koalitionsvertrags ist. Entscheidend ist, dass es gute Förderinstrumente gibt, die so ausgestaltet sind, dass die Unternehmen und Institute etwas davon haben. Das heißt, wirklich bürokratiearm, an der Praxis ausgerichtet. Und dann kann es wirklich dazu führen, dass sich das positiv auf die Forschung und Entwicklung auswirkt, wovon die Region profitieren kann.
Über welche Vereinbarungen im Koalitionsvertrag haben Sie sich gefreut?
Beispielsweise über die geplanten Maßnahmen am Arbeitsmarkt. Da soll es bürokratische Vereinfachungen geben, mit sogenannten One-Stop-Shops. Also einheitliche Anlaufstellen und Ansprechpartner, was vor allem wichtig ist für die Integration ausländischer Arbeitskräfte. Auch die geplante Einführung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit schafft für ganz viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch für die Unternehmen mehr Flexibilität. Das wird einen positiven Beitrag für unsere Unternehmen in Bayerisch-Schwaben leisten.
Die künftige Regierung will mit der Aktivrente mehr Menschen dazu animieren, auch in der Rente weiterzuarbeiten. Bis zu 2.000 Euro monatlich sollen sie steuerfrei zur Rente dazuverdienen können. Kann das gegen den Arbeits- und Fachkräftemangel helfen?
Generell sind alle Maßnahmen zu begrüßen, die das Ziel verfolgen, Menschen länger in Arbeit zu halten. Weil wir den Arbeitskräftemangel haben und die geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten zehn Jahren in Rente gehen werden. Daher ist es sehr wünschenswert, wenn Maßnahmen ergriffen werden, die es attraktiver machen, über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten. Jede Person, die dem Arbeitsmarkt länger zur Verfügung steht, ist wichtig.
Gibt es aus Ihrer Sicht wirtschaftliche Zielkonflikte im Koalitionsvertrag?
Was sich zum Beispiel widerspricht, ist: Auf der einen Seite sollen die Unternehmen entlastet werden. Auf der anderen Seite enthält der Koalitionsvertrag wenig Maßnahmen zur Stabilisierung oder nachhaltigen Finanzierung der gesetzlichen Rente, der Krankenkassen, generell der sozialen Sicherungssysteme. Die geplante Bildung von Kommissionen ist gut, aber der aktuell drohende Anstieg der Beitragsätze führt bei den Unternehmen sofort zu höheren Arbeitskosten. Bereits jetzt sehen wir in unserer Konjunkturumfrage häufig, dass die Arbeitskosten unter den Top drei der größten Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung sind. Da hoffen wir, dass sich die Beitragsentwicklung schnell stabilisiert und auch möglicherweise sogar sinkt. Damit eben nicht auf der einen Seite entlastet, aber auf der anderen Seite wieder belastet wird.
Ihr Fazit: Wie bewerten Sie den wirtschaftspolitischen Kurs im Koalitionsvertrag?
Im Koalitionsvertrag finden sich wirklich einige Maßnahmen, die neuen wirtschaftlichen Schwung verleihen können. Beispielsweise in den Bereichen Bürokratieabbau, Digitalisierung, Arbeitsmarkt oder Investitionen. Aber ein grundlegender Neustart in der Wirtschaftspolitik ist es aktuell noch nicht. Dafür müsste noch mehr passieren, unter anderem im Bereich der Steuern oder der Arbeitskosten. Aber wir hoffen, dass den kommenden Koalitionären bewusst ist, dass weitere entschlossene Reformen folgen müssen.