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Lisa Figas: „Erhalten Gründerinnen wegen ihres Geschlechts kein Risikokapital?“
Teil 1: Interview mit Augusta Preisträgerin

Lisa Figas: „Erhalten Gründerinnen wegen ihres Geschlechts kein Risikokapital?“

Lisa Figas (Mitte) mit den Jury-Mitgliedern Eva Weber und Stefan Schimpfle. Foto: Peter Fastl/Stadt Augsburg
Lisa Figas (Mitte) mit den Jury-Mitgliedern Eva Weber und Stefan Schimpfle. Foto: Peter Fastl/Stadt Augsburg

Lisa Figas, Datenschutzexpertin und CEO der TelemetryDeck GmbH, hat als Tech-Pionieren des Jahres den Augusta-Wirtschaftspreis für Frauen erhalten. Im Interview mit B4BSCHWABEN.de erklärt sie, warum Datenschutz so wichtig ist und was sie als Frau in der Start-up-Szene erlebt.

Sie haben Mitte Oktober den Augusta Wirtschaftspreis für Frauen als Tech-Pionierin des Jahres erhalten. Was bedeutet das für Sie?

Das ist eine Verbindung von zwei Sachen, die für mich ganz wichtig sind. Ich bin mit Leib und Seele Augsburgerin und bin stolz, dass ich Teil dieser Stadtgesellschaft werden durfte. Und gleichzeitig ist es sehr wichtig zu zeigen, was die Frauen auch zur Wirtschaftsleistung des Landes beitragen und welche Rollen sie in der Gesellschaft und eben auch im wirtschaftlichen Kontext einnehmen. Ich bin ganz begeistert, dass dieser Preis ins Leben gerufen wurde.

Sie sind jetzt Ende 30 und haben vor drei Jahren mit einem Geschäftspartner Ihr eigenes IT-Unternehmen gegründet, die TelemetryDeck GmbH. Sie sind dort CEO. Wie kam es dazu?

Mein Geschäftspartner und bester Freund, Daniel Jilg, ist als App-Entwickler immer wieder auf das gleiche Problem gestoßen: Wenn man eine App veröffentlicht, möchte man Nutzungsdaten haben, um zu sehen, was man an der App verbessern kann, um mehr Erfolg damit zu haben. Es gibt da auch schon Anbieter, die aber mehr Informationen messen als man dafür braucht: Viele personenbezogenen Informationen wie Alter, Geschlecht, Haushaltseinkommen und so weiter und erstellen daraus dann Profile. Das sind oft Informationen, die man, ob Nutzer oder Anbieter von der App, nicht unbedingt irgendwelchen US-Konzernen zur Verfügung stellen möchte. 2020 hat Daniel beschlossen, dieses Problem zu lösen. Ich habe zu der Zeit in der Cyber Security gearbeitet und mich sehr in die weltweiten Datenschutzgesetze eingearbeitet. Ich konnte ihn da immer wieder beraten und irgendwann war es offensichtlich, dass das eine schlaue Idee ist, sich als Gründerin anzuschließen. Unser Know-how hat sich so gut ergänzt und wir waren in der gleichen Mission unterwegs: Das Thema Datenschutz und Privatsphäre ist uns beiden sehr wichtig. Gleichzeitig sind aber auch die Anliegen der Unternehmen, die mit ihren Apps Erfolg haben wollen, wichtig. Wir haben also mit der TelemetryDeck GmbH, diese beiden Motive vereint. Heißt: Wir stellen einen Codeschnipsel zur Verfügung, den die App-Besitzer in ihre Apps einfügen können. Dieser Codeschnipsel misst, wie oft die App geöffnet wird, wie lange und was die Leute anklicken, und zwar ohne Personenbezug.

Warum liegt Ihnen Datenschutz so sehr am Herzen?

Es werden Daten gesammelt und miteinander in Verbindung gebracht, auch über verschiedene Apps hinweg. Das dient letztlich immer dazu, ein Profil zu erstellen, auf dessen Basis personenbezogene Werbung ausgespielt wird. Es gibt viele Leute, die sagen: „Es ist doch praktisch, dann sehe ich ja nur die Werbung, die mich betrifft.“ Aber es ist überhaupt nicht praktisch, wenn sich Gesetze und politische Rahmen ändern. Weil dann Daten da sind, die unter Umständen gefährlich werden können. Da ist ein Blick in die USA ganz hilfreich. Das nationale Recht auf Abtreibung wurde 2022 abgeschafft, in vielen Staaten ist es inzwischen verboten. Aber es ist nicht nur verboten, eine Abtreibung durchführen zu lassen oder als Arzt durchzuführen, sondern auch alle, die davon wissen und das nicht an die Strafverfolgungsbehörden melden, machen sich selbst auch strafbar. Da denkt man erstmal zum Beispiel an Taxifahrer, die die Frauen in die Klinik bringen oder an das private Umfeld der Frau. Aber was da eben auch drunter fällt, sind elektronische Medien und Apps, in denen diese Information zur Verfügung steht. Stichwort Zyklus-Tracking-Apps. Diese Apps können natürlich aufgrund der Auswertung wissen: „Da liegt ein Zyklus vor, da liegt keiner vor, da liegt wahrscheinlich eine Schwangerschaft vor, da ist eine Schwangerschaft, die in kürzerer Zeit als neun Monaten beendet ist. Jetzt ist wieder ein Zyklus da und so weiter.“ Diese Informationen müssen an die Strafverfolgungsbehörden gemeldet werden. Es gibt auch schon dokumentierte Fälle, wo Frauen im Gefängnis gelandet sind, weil in Apps das Thema aufkam. Und das ist ein scheußliches, aber ein gutes Beispiel dafür, worin eigentlich die Gefahr liegt, dass wir endlos Daten sammeln. Wir erschaffen unglaubliche Datenmengen, unglaublich detaillierte Profile und gleichzeitig haben wir es weltweit mit einem zunehmenden Faschismus und einem Überwachungssystem zu tun, sodass wir da extrem vorsichtig sein müssen. Und das betrifft jeden von uns. Leider hat der Datenschutz einen sehr schlechten Ruf, weil er oft damit verbunden ist, dass man irgendwas unterschreiben oder irgendwelche Cookie-Banner wegklicken muss. Aber tatsächlich geht es nicht darum, Daten zu schützen, sondern Menschen zu schützen.

Sie sind in der IT-Branche, die noch sehr männlich ist. Wie erleben Sie das?

Das ist ein interessantes Thema, weil ich das ein bisschen splitten würde. Also die IT-Branche habe ich grundsätzlich immer als sehr offen und modern und weitgehend vorurteilsfrei erlebt und mich da sehr wohlgefühlt. Was für mich den größeren Einfluss auf diese Geschlechterthematik hat, ist das Setup, dass wir auch ein Start-up sind. Man kann Start-ups, auch wenn sie aus unterschiedlichen Branchen sind, doch irgendwo auch als eigene Branche betrachten, die eigene Logiken hat und eigene Netzwerke hat. In diesem Kontext ist es extrem auffällig, sich als Frau zu bewegen, weil es ein gewisses Bild von einem typischen Start-up-Gründer gibt. Das sind so Tech-Bros, von denen ich extrem abweiche. Sowohl vom Alter, als auch vom Geschlecht, als auch von der Familiensituation. Und das ist was, ob ich will oder nicht, mit dem ich mich auseinandersetzen muss, weil ich immer wieder mit Leuten zu tun habe, die mich da vergleichen. Vor allem Investoren. Es gibt Statistiken, dass frauengeführte Unternehmen deutlich weniger Risikokapital erhalten als von Männern geführte. Wir haben von Venture-Capital-Fonds, die dieses Risikokapital geben, so viele Neins bekommen. Teilweise mit so haarsträubenden Begründungen, dass ich mich bis heute frage: „Welchen Einfluss hat darauf mein Geschlecht?“ Niemand hat gesagt: „Wir geben dir kein Geld, weil du eine Frau bist.“ Das wäre auch rechtswidrig. Aber die Frage steht wie so ein Elefant im Raum, den ich nicht aufklären kann. Und das ist was, was mich schon auch belastet und wo ich unternehmerisch danach strebe, diese Branche hinter mir zu lassen. Wir wollen aus eigener Kraft weiter wachsen, anstatt dieses Venture-Capital zu jagen.

Wie gehen Sie damit um, wenn Sie merken, dass Sie anders behandelt werden, weil Sie eine Frau sind?

Also ich muss ganz ehrlich sagen, man wünscht sich vielleicht da irgendwie tough zu sein und den passenden Spruch zu haben, aber in der Regel ist es doch bei aller Aufklärung und Vorwissen und tollen Argumenten, die man vielleicht im Kopf hat, doch oft einfach eine perplexe Stummheit, die dann unmittelbar auftritt. Ich werde dann mit etwas Abstand wirklich wütend, also wenn ich zum Beispiel wieder zu Hause bin oder den Call beendet habe, und dafür habe ich dann meine Kanäle. Ich habe aufgehört, das in mich hineinzufressen. Ich rede dann meinem Mann, meinem Mitgründer oder meinen Freundinnen darüber. Ich habe noch nie nochmal das Gespräch gesucht, sondern bin dann immer darauf konzentriert, meine Energie auf die nächste Herausforderung zu lenken und das hinter mir zu lassen. Ich kann das nicht leisten, die Menschen, die so denken, aufzuklären oder darauf hinzuweisen. Ich habe die Energie nicht, ich habe die Zeit nicht und ich habe eigentlich auch ein anderes Interesse. Es ist aber auf alle Fälle so, dass ich mir das merke und dann auch meine Schlüsse ziehe, wenn es zum Beispiel um eine weitere Zusammenarbeit geht. Und das ist schon was, was ich durchaus auch mal erzähle, wenn mich jemand nach meinem Eindruck fragt. Ich finde, wenn man Menschen so ungleich behandelt, muss man auch damit umgehen können, dass das vielleicht auch mal ein Thema ist.

Der zweite Teil des Interviews erscheint am kommenden Montag. Darin erfahren Sie, welche strukturellen Probleme Lisa Figas in der Gründer-Szene sieht und welchen Rat, sie für Frauen hat, die eine Unternehmen gründen wollen.

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