B4B Schwaben

Holen Sie sich B4BSCHWABEN.de auf Ihr Smartphone.
Klicken Sie auf das Symbol zum „Teilen” in der Toolbar von Safari. Finden Sie die Option „Zum Home-Bildschirm”. Mit einem Klick auf „Hinzufügen” ist die Installation abgeschlossen! Schon ist die Website als App auf Ihrem iOS-Gerät installiert.

B4B Schwaben
 / 
Wirtschaftsmediation – ein zahnloser Tiger?
Hans-Peter Heinemann, Dr. Hille Heinemann Rechtsanwälte

Wirtschaftsmediation – ein zahnloser Tiger?

Rechtsanwalt Hans-Peter Heinemann, Dr. Hille Heinemann Rechtsanwälte, ist unser Experte für Gesellschafts- und Haftungsrecht. Foto: Pia Simon
Rechtsanwalt Hans-Peter Heinemann, Dr. Hille Heinemann Rechtsanwälte, ist unser Experte für Gesellschafts- und Haftungsrecht. Foto: Pia Simon

Ein bewährtes Verfahren zur Konfliktlösung ohne lange Verfahrenszeiten: Das ist die Wirtschaftsmediation. Seit gut einem Jahr ist Rechtsanwalt Hans-Peter Heinemann Wirtschaftsmediator und erklärt in seinem Expertenbeitrag, was hinter einem solchen Verfahren steckt – und wem es von Nutzen ist.

Seit ich im März vergangenen Jahres meine Qualifikation als Wirtschaftsmediator (IHK) erlangte und nachdem ich mich mittlerweile auch als zertifizierter Mediator bezeichnen darf, kommt mir immer wieder die Frage in den Sinn, welche Rolle die Wirtschaftsmediation in meinem Beratungsgeschäft als Rechtsanwalt spielen kann. Immer wieder begegnet einem die laienhafte Aussage: „Ah, du bist Rechtsanwalt. Dann wird es dir gut gehen, denn die Leute streiten viel.“ Diese Aussage gehört zu den vielen Glaubenssätzen, die mit Rechtsanwälten in Verbindung gebracht werden, aber kritisch zu betrachten sind. Das Bundesministerium der Justiz hat erst im April 2023 eine Studie veröffentlicht, wonach diese Aussage widerlegt wird mit der Erkenntnis: Die Eingangszahlen bei den Zivilgerichten sind rückläufig. Von 2005 bis 2019 sind etwa die Neuzugänge an zivilrechtlichen Verfahren bei den Amtsgerichten um circa 36 Prozent und bei den Landgerichten um circa 21 Prozent zurückgegangen. Und die Forscher sagen: Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen. Was sind die Gründe dafür?

Lange Verfahrenszeiten werden gescheut

Zu beobachten ist, dass Geschäftsaktivitäten und private Kontakte komplexer und schneller werden, wodurch das Bedürfnis der Beteiligten wächst, absehbare Konflikte bereits durch die Gestaltung von Vertragsbedingungen, block-chain-Vertragsstrukturen sowie ein automatisiertes Beschwerdemanagement im Keim zu ersticken. Ferner scheuen insbesondere Privatpersonen häufig die psychische Belastung von Gerichtsprozessen, insbesondere ihren Zeitaufwand. Rechtsschutzversicherungen drängen dazu, dass Anwälte früher beraten, um Konflikte, die in Gerichtsstreitigkeiten münden könnten, zu minimieren. Und was ganz schwer wiegt: Die Verfahrenszeiten dauern zu lang, Prozesse werden durch häufige Richterwechsel belastet und die Digitalisierung der Justiz liegt weit zurück, sodass die wirtschaftliche Entwicklung der Beteiligten größtenteils die juristische Entwicklung in der Aufarbeitung im Prozess überholt. Warum weise ich darauf hin? 

Vor Gericht werden Konflikte abgeurteilt, aber nicht gelöst

Konflikte haben in der Praxis zwei wesentlich nachteilige Faktoren: Sie führen entweder zu einer Eskalation und damit zum Bruch einer geschäftlichen Beziehung oder sie werden totgeschwiegen, wodurch unternehmerische Leistungsfähigkeit leidet. Meistens hat der Konflikt eine Vorgeschichte, das heißt es gibt einen Konflikt hinter dem Konflikt. An ihn heranzukommen ist regelmäßig eine Herausforderung und setzt das Mitwirken der beteiligten Parteien mit dem Ziel, eine zukunftsorientierte und erfolgreiche Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten. Diese Ziele lassen sich in einem Gerichtsverfahren, wo nach der Zivilprozessordnung Beweise zu erheben sind, regelmäßig nicht erreichen. Ich nehme nur ein Beispiel aus meiner Praxis: Streiten sich zwei Gesellschafter, landet in der Regel der Rechtsstreit vor Gericht mit dem Inhalt, dass über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit von bestimmten Gesellschafterbeschlüssen (z.B. Abberufung eines Geschäftsführers oder Ausschluss eines Gesellschafters) gestritten wird. Die Frage aber, welcher Konflikt zu diesen Beschlüssen geführt hat, wird in einem solchen Rechtsstreit nicht aufgearbeitet. 

Wie funktioniert eine Wirtschaftsmediation? 

Hier setzt die Wirtschaftsmediation an. Sie erforscht die Interessen und Bedürfnisse der Parteien im Hinblick auf das gestörte Geschäftsverhältnis. Sie lässt den Parteien in einem Umfeld des Vertrauens und der Verschwiegenheit die Möglichkeit, Dinge anzusprechen, die in normalen Verhandlungsgesprächen eigentlich nicht zur Sprache kommen würden. Mithilfe eines neutralen und überparteilichen Mediators entwickeln die Parteien selbst Lösungsansätze zur Beilegung ihres Konflikts. Für den Fall, dass sich beide Seiten verrennen, hat der Mediator die Möglichkeit, in Einzelgesprächen den gordischen Knoten zu zerschlagen. Am Ende steht eine Vereinbarung zwischen den bisherigen Konfliktparteien, welche die Lösung des Konflikts zum Inhalt haben sollte. Dieses Vorgehen hat einen großen Vorteil: Die Parteien wirken gemeinsam an einer Lösung mit und können somit sichergehen, dass ihre Interessen Berücksichtigung finden. Weitere Vorteile sind eine deutlich kürzere Verfahrensdauer gegenüber einem Gerichtsprozess und damit auch deutlich reduzierte Kosten. 

Leider ist (im Gegensatz zum angloamerikanischen Rechtsraum) in Europa die Mediation noch ein Stiefkind. Es wird Zeit – gerade auch im Hinblick auf effizientes Wirtschaften und personelle Ressourcenschonung – die Chancen eines Mediationsverfahrens seitens der Unternehmerschaft stärker in Betracht zu ziehen.

Artikel zum gleichen Thema