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B4BSCHWABEN.de: Du bist Doktorin der Mathematik und passionierter Data Scientist. Wie wurde diese Passion entfacht?
Dr. Julia König: Die Leidenschaft für Mathematik habe ich schon mein Leben lang. Ich hatte auch das Glück, eine Lehrerin in Mathe zu haben, die mich immer gefördert hat.
Die Leidenschaft für Data Science und KI im Speziellen ist so richtig in meinem ersten Job nach meiner Promotion entfacht. Ich fand es faszinierend, hautnah zu erleben, was für ein großes Potenzial in KI steckt. Mit KI lassen sich nicht nur Prozesse automatisieren, sondern auch datenbasierte, fundierte Entscheidungen treffen, die vorher per Bauchgefühl oder mit stundenlangen Excel-Berechnungen und viel Copy-Paste getroffen wurden.
Wenn man sich die Statistiken anschaut, sind Frauen in den MINT-Fächern und akademischen MINT-Berufen deutlich unterrepräsentiert. Aus deiner eigenen Erfahrung heraus, was sind die Gründe dafür?
Hier muss man differenzieren: Laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind in Mathematik und naturwissenschaftlichen Studienfächern sogar mehr als die Hälfte der Studierenden weiblich. So habe ich das auch in meinem Studium erlebt. In Informatik und Ingenieurwissenschaften sind Frauen tatsächlich sehr unterrepräsentiert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es an den Inhalten liegt. Ich denke, es kostet junge Menschen eine gewisse Überwindung, einen Studiengang zu wählen, in dem das eigene Geschlecht wenig vertreten ist. Ich will hier aber auch festhalten, dass die Frauenquote über die Jahre hinweg leicht gestiegen ist. Es besteht also Hoffnung.
Du hast 2018 dein eigenes Unternehmen gegründet, seit März 2019 firmiert ihr unter Ehrenmüller GmbH. Wie kam es zu der Entscheidung, sich selbständig zu machen?
Die Idee, ein eigenes Unternehmen im Bereich Data Science und Künstliche Intelligenz zu gründen, entstand während meiner Arbeit als Data Scientist. Da habe ich gemerkt, dass Unternehmen enorm von Künstlicher Intelligenz profitieren. Mein Traum war es dann, ein Team aus KI-Experten aufzubauen, um für möglichst viele mittelständische Unternehmen passgenaue KI-Lösungen zu entwickeln.
Was waren die größten Herausforderungen dabei?
Eine der größten Herausforderungen war, dass ich zu Beginn kaum jemanden persönlich kannte, der selbst ein Unternehmen gegründet hat, somit fehlten mir die entsprechenden Role Models. Der Schritt, ein bestehendes Arbeitsverhältnis zu kündigen und sich selbstständig zu machen, ist groß. Da braucht es viele Personen, die einen in irgendeiner Art und Weise unterstützen und von denen man lernen kann. Über das Gründerzentrum Allgäu Digital in Kempten hatte ich dann die Möglichkeit, andere Gründer und Gründungsexperten kennenzulernen und mich mit ihnen auszutauschen.
Hast du schon einmal negative Erfahrungen als Frau in einer männerdominierten Branche gemacht?
Klar, ich könnte ein ganzes Buch mit Beispielen füllen. Das negative Highlight war sicherlich, als mir ein potenzieller Kunde bei einem Vorgespräch gesagt hat, er würde lieber den Folgetermin mit einem männlichen Kollegen von mir machen. Er meinte keine bestimmte Person, nur männlich war ihm wichtig. Also habe ich einen männlichen Vertreter geschickt, da bin ich mittlerweile schmerzbefreit. Am Anfang haben mich solche Dinge belastet, aber mein Umfeld hat mich da von Anfang an unterstützt. Dadurch habe ich gelernt, dass es in solchen Situationen entscheidend ist, so etwas nicht persönlich zu nehmen und zu verstehen, dass das Problem nicht bei einem selbst, sondern beim Gegenüber liegt.
Du hast im Allgäu gegründet. Warum das Allgäu? Und wie bewertest du den Standort für Gründer?
Ehrlich gesagt bin ich aus privaten Gründen im Allgäu gelandet und bin sehr froh, das Unternehmen hier gegründet zu haben. Es gibt viele Hidden Champions im und rund um das Allgäu, die auf innovative Technologien wie Künstliche Intelligenz setzen, und die es sehr schätzen, ein KI-Unternehmen in ihrer Nähe zu haben. Außerdem ist das Allgäu auch für die Mitarbeitergewinnung ein Vorteil für uns. Wir erhalten Bewerbungen aus ganz Deutschland und darüber hinaus. Für eine ausgewogene Work-Life-Balance gibt es wahrscheinlich kaum eine bessere Gegend als die Urlaubsregion Allgäu.
Dein Unternehmen hat sich zu einem DER KI-Spezialisten in Bayerisch-Schwaben entwickelt. Ihr unterstützt Unternehmen, datengetriebener und effizienter zu werden. Wo und wann macht es für ein mittelständisches Unternehmen Sinn, auf KI zu setzen?
Es gibt zwei typische Anwendungsbereiche: Einerseits die Verbesserung des eigenen Produkts oder der eigenen Dienstleistung und andererseits die Optimierung interner Prozesse. Man kann nicht pauschal sagen, wo der Einsatz von KI am meisten Sinn macht, weil das von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich ist. Jedes Unternehmen muss sich fragen, wo die eigenen Herausforderungen und Chancen liegen, Gibt es Tätigkeitsbereiche, die sehr viel Zeit und Geld kosten? Gibt es einen hohen Kostendruck? Möchte oder muss das Angebot attraktiver und innovativer gestaltet werden, um eine höhere Nachfrage zu generieren? Wir führen beispielsweise mit Unternehmen KI-Potentiale-Workshops durch, wo wir genau diese Fragestellungen beleuchten und KI-Einsatzmöglichkeiten individuell bewerten.
Wie unterstützt ihr Unternehmen konkret? Kannst du vielleicht ein Praxisbeispiel nennen?
Für und mit der Firma Brack Wintergarten, ein KMU aus Altusried, haben wir ein KI-System zur Analyse und Priorisierung von Kundenanfragen entwickelt, eine sogenannte Vertriebsampel. Die KI analysiert eingehende Anfragen und klassifiziert sie nach Abschlusswahrscheinlichkeit. Dadurch kann der Vertriebsprozess effizienter gestaltet werden und das Unternehmen spart sich laut eigenen Aussagen einen 6-stelligen Betrag pro Jahr. Zu den technischen Details: Wie in jedem unserer KI-Projekte wurde das KI-Modell über Schnittstellen in die bestehende Systemlandschaft eingebettet. Das KI-Modell wurde mithilfe von historischen Daten trainiert und wird regelmäßig nach-trainiert und evaluiert.
Weitere Beispiele sind die automatisierte Suche und Klassifizierung neuester medizinischer Studien, eine KI-basierte Bildanalyse in der Qualitätskontrolle, Prognosen für die Personaleinsatzplanung, Ersatzteilprognosen im Kundenservice oder auch Produktvorschläge in Online-Shops.
Mit welchen Fragen wirst du am häufigsten von Kunden konfrontiert? Gibt es Ängste oder Zweifel, die du immer wieder hörst, welche du den Mittelständlern gerne nehmen würdest?
Häufig gibt es die Sorge, dass Mitarbeiter dem Einsatz von KI skeptisch gegenüberstehen. Gerade wenn ein KI-System Prognosen und Entscheidungen treffen soll, die bisher Fachkräfte mit langjähriger Erfahrung getroffen haben, ist diese Sorge zunächst auch nicht ganz unbegründet. Ich empfehle daher, diese Mitarbeiter bei der Entwicklung des KI-Systems aktiv miteinzubinden, sodass ihre Expertise in die Entwicklung miteinfließt. Sobald sie dann erkennen, wie gut - bzw. wie viel besser - das KI-Modell performt, ändert sich ihre Meinung erfahrungsgemäß innerhalb kürzester Zeit von Skepsis zu Begeisterung.
Das Thema KI hat beim VMM-Mittelstandsfrühstück einen Nerv getroffen. Wie groß ist denn in den Unternehmen in Bayerisch-Schwaben das Interesse bzw. die Bereitschaft, sich mit KI auseinander zu setzen und das zu integrieren?
Subjektiv gesehen sehr groß, wobei meine Einschätzung auf jeden Fall verzerrt ist. Denn bei Ehrenmüller kommen wir quasi nur mit Unternehmen in Kontakt, die innovativ denken und sich für das Thema sehr interessieren. Objektiver ist eine aktuelle Umfrage der IHK Schwaben, die herausgefunden hat, dass 23 Prozent der Unternehmen in Bayerisch-Schwaben KI im Unternehmen bereits einsetzen.
Ein paar Unternehmer haben ihre Bedenken geäußert wegen der Themata Datenschutz und Datensicherheit. Welche Risiken siehst du hier und welche Sorgen sind unbegründet?
Bei sogenannten Software-as-a-Service-KI-Tools besteht immer die Gefahr, dass sie nicht DSGVO-konform sind und unternehmensinterne, sensible Daten zu den Anbietern der Tools wandern. Somit sollte man bei der Einführung eines KI-Tools besonders vorsichtig sein, sich genau informieren, und, wann immer es möglich ist, auf eigene KI-Systeme setzen, so dass man die Hoheit über seine eigenen Daten und Algorithmen behält.
Einige kritische Stimmen sagen, dass Deutschland die KI-Entwicklung verschläft und die Bundesregierung im Gegensatz zu anderen Ländern viel zu wenig Geld in KI investiert. Kannst du uns eine Einschätzung geben, wie der Status quo in Deutschland ist und was wir tun müssen, um eben nicht den Anschluss zu verlieren?
Ich sehe drei Herausforderungen in Deutschland. Erstens: Der Hype um ChatGPT und Co. führt leider in Deutschland dazu, dass Unternehmen denken, sie seien dann Vorreiter, wenn sie diese KI-Tools einsetzen. Doch umgekehrt wird ein Schuh draus, man muss selbst als Unternehmen eigene KI-Modelle und KI-Produkte entwickeln, die man dann gewinnbringend, intern verwendet oder auf den Markt bringt und monetarisiert. KI-Modelle und Daten sollten immer im Besitz des eigenen Unternehmens sein. Zweitens: Aktuell sind wir mit einer stagnierenden Wirtschaft konfrontiert. Diese wirtschaftliche Lage sollte man als Weckruf verstehen und in eine erfolgreiche Zukunft investieren. KI ist ein sehr gutes Werkzeug, um Prozesse effizienter sowie Produkte und Dienstleistungen attraktiver zu gestalten. Im ersten Fall lassen sich Kosten sparen, im zweiten Fall lassen sich Umsätze stabilisieren bzw. steigern. Bevor man von der KI-Anwendung profitieren kann, muss man als erstes in sie investieren, und für Investitionen bietet die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage nicht die perfekten Voraussetzungen. Drittens: Die DSGVO und der EU AI Act hemmen die Entwicklung, da Unternehmen verunsichert sind und Sorge haben, etwas falsch zu machen. Hier braucht es Experten wie uns, die diese Verordnungen in der KI-Entwicklung berücksichtigen.