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B4BSCHWABEN.de: Herr Lessmann, Sie sind seit gut 35 Jahren Teil Ihres Unternehmens. Können Sie ein Fazit aus dieser sehr langen Zeit ziehen?
Dieter Lessmann: Mein Fazit ist, dass sich unser Durchhalten gelohnt hat. Das Unternehmen war 1990, als ich eingetreten bin, ein völlig anderes. Es wurde vorher von unserem Vater geleitet und hatte ein sehr kleines Produktsortiment. Mein Bruder Jürgen hat als Ingenieur die Fertigung und die Produktqualität optimiert, ich habe versucht den Vertrieb hoch zu bringen. Auch die Marke „Lessmann“ gab es damals noch nicht. Aber 1990 war nicht nur das Jahr der Wende in Deutschland. Ganz generell gab es in dieser Zeit viele Umbrüche. Auch für unser Unternehmen. Ich brauche das nicht zu beschönigen: Es war eine Zeit voller Schwierigkeiten. Aber das Durchhalten hat sich gelohnt. Wir sind heute ein Premiumhersteller von Markenwerkzeug und in Europa eine der führenden Marken im Werkzeugfachhandel. Mein Bruder und ich sind geschäftsführende Gesellschafter und seit 1. Januar 2024 verstärkt uns Frau Cornelia Kitzsteiner in der Geschäftsführung.
Dass es sich lohnt, durchzuhalten, konnten Sie damals aber ja noch nicht absehen. Was hat Sie dazu bewogen, die Marke „Lessmann“ zu etablieren?
Dieter Lessmann: Diese Frage möchte ich gern mit einer Anekdote beantworten. Ich bin ein Mensch, der sehr gerne reist. 1992 war ich das erste Mal in Dubai. Damals sah es in der Metropole noch anders aus als heute. Denn Dubai war zu dieser Zeit noch ein richtiger Handelsplatz, auch für Werkzeuge. Ich bin deshalb dorthin gereist, da ich wusste, dass dort viele Werkzeuge für die Öl- und Gasindustrie im gesamten Mittleren Osten umgeschlagen werden. Und wir hatten Produkte, die in diesen Markt gehen können. Wir hatten dort einen Importeur kennengelernt, der mir folgenden Rat mitgegeben hat: „Dieter, du musst eine Marke bilden. Denn wenn du eine Marke hast, kannst du irgendwann auch mal deine Preise anheben und bessere Margen erzielen.“ Nicht vergessen darf man außerdem, dass Marken immer ein gewisses Qualitätsmerkmal sind.
Galt das auch schon im Dubai der 90er Jahre?
Dieter Lessmann: Allerdings. Bereits zu dieser Zeit mussten wir uns mit Herstellern aus Europa, China und Amerika messen. Die Markenbildung war also der absolut richtige Schritt. Unser Vater war dahingehend stets eher zurückhaltend. Es hat natürlich auch Jahre gedauert, bis die Marke richtig im Markt Fuß gefasst hat. Aber es hat geklappt und war wohl mit eine der größten Aufgaben meiner Karriere.
In den 90er Jahren hatten einige Unternehmen Probleme, da durch den Fall des Eisernen Vorhangs günstigere Produktionsstätten in Osteuropa wettbewerbsfähig wurden. Wie haben Sie die Situation empfunden?
Auch wir mussten unser Portfolio anpassen. Anfang der 90er Jahre haben wir gut die Hälfte unseres Umsatzes mit Bürsten mit Holzkörpern gemacht. Nach dem Mauerfall kam aber plötzlich ein Wettbewerber aus der ehemaligen DDR hinzu, der ebenfalls diese Produkte anbieten konnte – nur eben, wie Sie angedeutet haben, viel günstiger.
Wie haben Sie das Problem gelöst?
Dieter Lessmann: Bereits als der neue Wettbewerber in unseren Markt gekommen ist, war absehbar, dass Holz-Handdrahtbürsten bald durch maschinelle Bürsten abgelöst werden. Sprich der Markt schrumpfte ohnehin schon. Also mussten wir überlegen, auf welche neuen Produkte wir setzen können, die auch zukunftsfähig sind. Wir mussten folglich in neue Produkte und neue Maschinen investieren, das war überwiegend der Part meines Bruders.
Etwa zur gleichen Zeit haben Sie auch eines Ihrer Zuliefererunternehmen aus dem Siegerland übernommen. War das auch eine Investition in die Zukunft?
Dieter Lessmann: Die Übernahme war für die Zukunft unseres Unternehmens bestimmt überlebenswichtig. Denn dieses Unternehmen lieferte uns damals Bürsten, die wir selbst nicht herstellen konnten – war aber auch in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Wäre dieses Unternehmen insolvent gegangen, hätte auch Lessmann massive Probleme bekommen. Also haben wir unseren ehemaligen Zulieferer übernommen. Lessmann hatte damals gut 90 Mitarbeiter. Der Zulieferer rund 40. Dies war eine gewaltige Herausforderung – verbunden mit einem gewaltigen Risiko.
Krisenhaft wurde es für die allermeisten Unternehmen dann auch 2009. Wie hat Lessmann diese Zeit verändert?
Dieter Lessmann: Diese Finanzkrise hatte auch Betriebe wie uns erwischt. Wir hatten damals einen relativen großen Auftrag für ein Unternehmen, welches Bleche für die Automobilindustrie hergestellt hat. Und diese Firma stand zu dieser Zeit wirklich still. Zwar gab es damals bekanntlich die Abwrackprämie, die helfen sollte, die Automobil-Industrie wieder anzukurbeln. Doch das hat noch ein wenig gedauert. Der Absatz war also – man muss es so deutlich sagen – gleich null. Es war, als hätte man den Stecker gezogen. Darauf mussten wir auch reagieren.
Und wie haben Sie reagiert?
Dieter Lessmann: Mit Kurzarbeit. Dadurch mussten wir keine Mitarbeiter entlassen. Und schon ein Jahr später, also 2010, konnten wir wieder bessere Ergebnisse einfahren. Somit haben wir die Finanzkrise insgesamt gut überwinden können. Denn durch die Kurzarbeit konnten wir, als die Lage wieder besser wurde, schnell und flexibel unsere Produktion hochfahren. Das haben auch unsere Kunden honoriert.
Ich möchte mit Ihnen gerne auch außerhalb von Krisen ein Fazit ziehen. Was ist Ihre wertvollste Erfahrung Ihrer Karriere gewesen?
Dieter Lessmann: Vertrauen zu haben. Vertrauen zwischen meinem Bruder und mir, Vertrauen in unsere Mannschaft, in unsere Führungskräfte, in unsere Mitarbeiter. Nur durch Vertrauen in unsere Belegschaft konnten wir schlussendlich alle Krisen überwinden. In den 90ern, 2009 und auch Corona konnten wir gut meistern. Ich möchte Ihnen eine sehr berührende Situation schildern. Während der Corona-Pandemie mussten wir unseren Teams unangenehme Ansagen machen: Einige Aufträge wurden zurückgezogen. Außerdem mussten wir neue Abstands- und Sicherheitsregeln einführen. Einer unserer Meister stand dann mit Tränen in den Augen vor mir. Er hatte Angst um seine Gesundheit, seine Familie und seinen Job.
Wie haben Sie reagiert?
Dieter Lessmann: Zunächst fand ich es wirklich berührend, dass unsere Mitarbeiter so offen und ehrlich mir gegenüber kommunizieren. Denn das ist nicht selbstverständlich. Ich habe ihm also auch das Vertrauen zugesprochen, dass wir als Geschäftsleitung dieses Schiff durch den Sturm segeln. Und dieses Vertrauen wurde belohnt, denn unser Unternehmen gibt es auch heute noch.
Wie haben Sie es geschafft, diese Vertrauensebene zu Ihren Mitarbeitern aufzubauen?
Dieter Lessmann: Das geht nicht von heute auf morgen. Seit über fünfzehn Jahren begleiten uns in der Geschäftsführung diverse Berater und Coaches. Wir haben unsere Werte definiert und eine Art „Lessmann-Ethik“ entwickelt. Man muss Spielregeln aufstellen und befolgen. Werte müssen an Führungskräfte weitergegeben und gelebt werden. Das ist zweifelsohne viel Arbeit – aber es lohnt sich. Wir mussten es aber auch als Geschäftsführer wirklich wollen. Im Volksmund heißt es ja nicht ohne Grund „Der Fisch stinkt vom Kopf“. Wenn die obersten Führungsebenen nicht hinter solchen Konzepten stehen, können Sie es vergessen.
Nun steht aber eine größere Veränderung in der Geschäftsleitung an. Denn mit Cornelia Kitzsteiner bekommen Sie Verstärkung. Wenn ich mir eine kühne Frage erlauben darf: Was kann Frau Kitzsteiner, was andere nicht können?
Dieter Lessmann: Vieles! Frau Kitzsteiner ist seit 1991 hier im Haus. Angefangen hat sie als Exportleiterin. 2004 wurde sie dann die Gesamtleiterin für den Verkauf. 2021 haben wir ihr die Prokura übertragen. Nun stellt sich die folgende Situation: Mein Buder und ich sind ungefähr gleich alt. Das heißt wir werden in etwa zur gleichen Zeit in den Ruhestand wechseln. Deshalb ist es wichtig, schon jetzt den Generationenwechsel vorzubereiten. Denn sowohl für Kunden als auch für Mitarbeiter ist es immens wichtig, Kontinuität zu zeigen. Cornelia Kitzsteiner ist eine Kollegin, die nicht nur kompetent ist, sondern eben auch bei Kunden und Kollegen bekannt und geschätzt. Sie genießt das volle Vertrauen meines Bruders und meines. Deshalb ist sie auch die richtige Kandidatin für diese verantwortungsvolle Position.
Möchten Sie Frau Kitzsteiner schon jetzt, vor Ihrem Ausscheiden, ein paar wertvolle Tipps mitgeben?
Dieter Lessmann: Bleiben Sie aufgeschlossen und neugierig. Auf Kunden, neue Technik und Mitarbeiter. Seien Sie mutig und haben keine Angst davor, auch einmal einen Fehler zu machen. Wir haben in Deutschland ja leider so eine „Schwarze-Peter-Kultur“. Das heißt, dass man immer einen Schuldigen finden muss. Dieses Spiel wollen wir bei Lessmann ganz bewusst nicht spielen. Und mein dritter Rat: Haben Sie weiterhin Vertrauen in unser Team.
Frau Kitzsteiner, Ihnen steht eine sehr verantwortungsvolle Position bevor. Was sind die größten Herausforderungen, die auf Sie warten?
Cornelia Kitzsteiner: Ich denke, eines der größten Themen wird der Fachkräftemangel bleiben. Wenn wir offene Plätze für qualifizierte Stellen haben, wird es immer schwieriger, diese zu besetzen. Wir brauchen auch nicht schönreden, dass mit Airbus Helikopters ein Großkonzern in Nordschwaben ansässig ist, der Mitarbeiter abgreift. Gegen den sind wir in mancherlei Hinsicht unterlegen.
Bestimmt aber nicht in allen?
Cornelia Kitzsteiner: Ganz und gar nicht. Wir können getrost die Karte des „Familienunternehmens“ ausspielen. Wir entscheiden alles transparent vor Ort. Das ist ein Vorteil, den viele Mitarbeiter – auch ich – nicht missen wollen.
Und in welche Richtung wollen Sie das Unternehmen in den kommenden Jahren weiterbewegen?
Cornelia Kitzsteiner: Es wird Sie wenig überraschen, wenn ich sage, dass mein Herz im Vertrieb schlägt. Deshalb möchte ich in den nächsten Jahren ein gesundes Wachstum realisieren. Ich möchte die internationalen Märkte weiter ausbauen. Derzeit sind wir dabei, die Zusammenarbeit mit einem neuen Partner in den USA umzusetzen. Wir haben auch bereits erste Kontakte nach Indien. Ich glaube beides hat großes Potential für Lessmann.
Aus mancherlei Firmen hört man, dass Indien China bald den Rang in Sachen Wirtschaft abringt. Wie schätzen Sie diese Situation auf Ihr Unternehmen bezogen ein?
Cornelia Kitzsteiner: Wir haben Partner in China und Indien. Grundsätzlich kann man sagen, dass chinesische Partner in der Regel ein wenig verschlossener sind als indische. Außerdem erleben wir leider, dass unsere Produkte in China kopiert werden und in anderen Märkten wieder auftauchen. Das ist für einen Premiumhersteller natürlich ein immenses Problem.
Ist es denkbar, dass Lessmann unter Ihrer Führung ins Ausland abwandert?
Cornelia Kitzsteiner: Das haben wir -Geschäftsführung und Gesellschafter- nicht vor. Wir stehen zu unserem Standort und zu unserer Belegschaft. Oettingen bietet uns viele Vorteile, die wir andernorts nicht haben. Unsere Kunden können also getrost auf einen starken Partner in Schwaben bauen.
Lassen Sie uns zum Schluss unseres Gesprächs noch einen Blick auf die Privatperson Cornelia Kitzsteiner werfen. Was bedeutet die neue Position für Sie ganz persönlich?
Cornelia Kitzsteiner: Es ist eine wirklich besondere Wertschätzung, die mir mit der Berufung entgegengebracht wird. Hier spielt auch wieder das Vertrauen, das Herr Lessmann genannt hat, eine sehr große Rolle. Schließlich ist es gerade in einem Familienunternehmen nicht selbstverständlich, dass jemand in die Geschäftsführung berufen wird, der nicht zur Familie gehört. Ich habe großen Respekt vor der neuen Position und den neuen Herausforderungen. Aber ich freue mich auch sehr darüber, dieses Lebenswerk weiterzuführen.