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Wie SolidCryo magnetische Kühlung für die Quantenforschung entwickelt
Interview

Wie SolidCryo magnetische Kühlung für die Quantenforschung entwickelt

Paul Bittner und Jorginho Villar Guerrero erklären im Interview die Funktionsweise ihrer magnetischen Kühltechnologie. Im Hintergrund steht der Tieftemperatur-Kühlschrank, der für supraleitende Quantencomputer eingesetzt werden soll. Fotoquelle: B4BSCHWABEN.de / Angelina Märkl
Paul Bittner und Jorginho Villar Guerrero erklären im Interview die Funktionsweise ihrer magnetischen Kühltechnologie. Im Hintergrund steht der Tieftemperatur-Kühlschrank, der für supraleitende Quantencomputer eingesetzt werden soll. Fotoquelle: B4BSCHWABEN.de / Angelina Märkl

Der Sieger des Wettbewerbs „Augsburg gründet!“ 2025, Solidcryo, entwickelt eine magnetische Kühlmethode für Quantencomputer, die ohne das seltene Helium-3 auskommt. Im Interview erzählen Paul Bittner und Jorginho Villar Guerrero, wie aus Forschung ein marktfähiges Produkt wurde.

B4BSCHWABEN.de: Wie würdet ihr eure Technologie jemandem erklären, der kein Physiker ist?

Jorginho Villar Guerrero: Wir bauen Tieftemperaturgeräte für sehr, sehr tiefe Temperaturen. Im Prinzip superkalte Kühlstäbe und -schränke. Diese Kühlstäbe sollen später für Quantenforschung eingesetzt werden. Klassische Kühlsysteme arbeiten immer mit einem Kreislaufprozess. Wir gehen einen anderen Weg und setzen auf magnetische Kühlung. Wir nutzen spezielle magnetische Materialien, die auf sehr tiefe Temperaturen herunterkühlen können, in einem Bereich, der für supraleitende Quantentechnologie relevant ist.

Paul Bittner: Unser Vorteil ist, dass wir magnetische Materialien verwenden, die genau für diese extrem tiefen Temperaturen optimiert sind. Helium-3, das sonst genutzt wird, ist extrem selten und entsteht als Nebenprodukt in der Atomwaffenherstellung. Davon sind wir unabhängig.

Für welche Anwendungen ist eure Technologie aktuell am wertvollsten?

Paul Bittner: Unser Fokus liegt klar auf supraleitender Quantentechnologie, also auf Quantenchips, supraleitenden Schaltkreisen und entsprechenden Forschungsaufbauten.

Jorginho Villar Guerrero: Grundsätzlich geht es immer um extrem tiefe Temperaturen. Überall dort, wo im Millikelvin-Bereich geforscht und gemessen wird, kann unsere Technologie perspektivisch eingesetzt werden.

Hier bewahrt das Team eine Auswahl an Labor- und Arbeitsmaterialien auf, die in der Entwicklung der Tieftemperaturtechnologie zum Einsatz kommen. Fotoquelle: B4BSCHWABEN.de / Angelina Märkl
Hier bewahrt das Team eine Auswahl an Labor- und Arbeitsmaterialien auf, die in der Entwicklung der Tieftemperaturtechnologie zum Einsatz kommen. Fotoquelle: B4BSCHWABEN.de / Angelina Märkl
Wann ist euch klar geworden, dass eure Forschung ein echtes Produkt werden kann?

Jorginho Villar Guerrero: Während meiner Masterarbeit habe ich gesehen, dass das Konzept nicht nur technisch funktioniert, sondern auch gut produzierbar ist. Viele Komponenten bekommt man von der Stange, wenige müssen wir selbst fertigen. Auf Messen haben uns dann Forschende direkt gefragt, wann sie unseren Kühlstab kaufen können. Das war der Moment, in dem uns klar wurde: Die Nachfrage ist da. Wir haben inzwischen einige Anfragen von Einrichtungen, die unser System testen oder kaufen wollen, sobald wir gegründet haben.

Welches konkrete Problem löst ihr und wie löst die Branche dieses Problem bisher?

Paul Bittner: Aktuell setzen Forschung und supraleitende Quantentechnologie fast ausschließlich sogenannte Mischkühler ein. Diese Systeme arbeiten mit Helium-3, welches hingegen problematisch ist.

Für den europäischen Binnenmarkt hat das eine strategische und geopolitische Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten und Russland, eine gefährdete Versorgung und steigende Preise zur Folge. Wenn sich in Europa eine eigenständige Quantenindustrie entwickeln soll, entsteht eine starke Abhängigkeit von Helium-3-Reserven aus der Zeit des Kalten Krieges, die heute schon knapper werden.

Jorginho Villar Guerrero: Helium-3 ist eine der weltweit seltensten Ressourcen. In Europa kann ein Kilogramm bis zu 20 Millionen Euro kosten. Wir lösen die Kühlproblematik, indem wir die Kühlung magnetisch realisieren. Die Rohstoffe für unsere Materialien sind in Europa verfügbar. Wir können alles lokal beschaffen und sind nicht von Drittstaaten abhängig.

Paul Bittner und Jorginho Villar Guerrero erklären im Interview die Funktionsweise ihrer magnetischen Kühltechnologie. Im Hintergrund steht der Tieftemperatur-Kühlschrank, der für supraleitende Quantencomputer eingesetzt werden soll. Fotoquelle: B4BSCHWABEN.de / Angelina Märkl
Paul Bittner und Jorginho Villar Guerrero erklären im Interview die Funktionsweise ihrer magnetischen Kühltechnologie. Im Hintergrund steht der Tieftemperatur-Kühlschrank, der für supraleitende Quantencomputer eingesetzt werden soll. Fotoquelle: B4BSCHWABEN.de / Angelina Märkl
Warum ist gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für eure Lösung?

Jorginho Villar Guerrero: Wenn wir vorher über Jahre in der Forschung präsent sind, mit Upgrades wie unserem Kühlstab, und der Markt und die Forschung sehen, wie zuverlässig unser System funktioniert, entsteht Vertrauen.

Dazu kommt, dass die EU gerade massiv in Quantentechnologie investiert. Im Programm „Horizon Europe“ fließen hohe Milliardenbeträge in das Feld. Europa möchte hier Vorreiter sein. Davon profitieren wir natürlich auch.

Welche technischen Hürden habt ihr bislang überwunden?

Paul Bittner: Unsere benötigten Magnete sind nur begrenzt verfügbar und physikalisch nicht dauerhaft tiefkalt betreibbar. Helium-3-Systeme haben hier aktuell noch Vorteile bei der Betriebszeit, die künftig reduziert werden sollen. Außerdem befürchten viele, dass zusätzliche Magnetfelder Messungen beeinflussen. Bei sauberem Systemdesign zeigt sich jedoch, dass die Kühlung die Messungen nicht verzerrt.

Wie vermarktet ihr aktuell eure Technologie?

Jorginho Villar Guerrero: Der Vertrieb läuft vor allem über Messen und Fachkonferenzen. Dort kommen wir direkt mit Forschungsgruppen ins Gespräch, lassen unsere Technologie testen und bauen Vertrauen auf. Veröffentlichungen aus diesen Tests sorgen zusätzlich für Sichtbarkeit und Reputation.

Wie unterscheidet ihr euch vom Rest des Wettbewerbs?

Paul Bittner: Zwar gibt es neben den klassischen Mischkühlern, die Helium-3 benötigen, weitere Anbieter magnetischer Kühlung, diese nutzen jedoch meist ältere salzbasierte Materialien. Wir haben die Technologie weiterentwickelt: Unsere Materialien haben eine neue Zusammensetzung und Verpackung, sind einfacher herzustellen, gut skalierbar und lassen sich in Kilogramm-Mengen produzieren.

Im Gegensatz zu klassischen Materialien, die als empfindliche Kristalle gezüchtet und kalt gelagert werden müssen, sind unsere Werkstoffe deutlich robuster und auch bei höheren Temperaturen stabil.

Der Kühlstab von Solidcryo arbeitet mit magnetischer Kühlung, ist deutlich kompakter konstruiert und ermöglicht eine erheblich unkompliziertere Wartung als Helium-3-Systeme. Fotoquelle: B4BSCHWABEN.de / Angelina Märkl
Der Kühlstab von Solidcryo arbeitet mit magnetischer Kühlung, ist deutlich kompakter konstruiert und ermöglicht eine erheblich unkompliziertere Wartung als Helium-3-Systeme. Fotoquelle: B4BSCHWABEN.de / Angelina Märkl
Mit welchen Kunden oder Partnern arbeitet ihr bereits oder wollt ihr arbeiten?

Paul Bittner: Wir arbeiten unter anderem mit dem Forschungszentrum Jülich zusammen. Dort entsteht ein sehr leistungsfähiges Rastersondenmikroskop. Für die Kühlung sind unsere Materialien zuständig. In diesem Projekt lernen wir, unsere Materialien in den Kilogramm-Bereich hochzuskalieren.

Außerdem kooperieren wir mit dem Max-Planck-Institut in Dresden und der Charles University in Prag, die unsere Kühlstäbe testen. Mit einem etablierten Mikroskophersteller sind wir im Austausch, um deren Geräte gemeinsam zu optimieren. Das ist unser erster klar wirtschaftlicher Partner.

Was sind eure nächsten geschäftlichen Meilensteine?

Paul Bittner: Wir planen, im kommenden Jahr zu gründen, idealerweise Mitte bis Ende des Jahres. Dann wollen wir auch mit den ersten Verkäufen starten.

Welche Unterstützung oder Finanzierung nutzt ihr aktuell?

Paul Bittner: Wir sind derzeit über das „Exist-Forschungstransfer“-Programm gefördert. Davor haben wir eine Förderung aus der bayerischen Validierungsförderung erhalten. Damit haben wir die Basis für die weitere technische Entwicklung gelegt. Auf dieser Basis entwickeln wir jetzt unseren ersten eigenständigen Kühlschrank.

Jorginho Villar Guerrero: Ein wichtiger Punkt ist auch unser Patent. Die Materialien sind patentiert, und über „Exist“ haben wir mit der Universität eine Vereinbarung getroffen, dass wir das Patent zu fairen Konditionen übernehmen können.

Wie habt ihr als Team zusammengefunden?

Jorginho Villar Guerrero: Im Kern entstand das Projekt aus einer Masterarbeit zu diesen Materialien. Am Lehrstuhl wurde schnell klar, dass sich die Ergebnisse zwar hervorragend erforschen lassen, für die Entwicklung marktfähiger Produkte aber ein eigenes Team notwendig ist. Das sind jetzt wir.

Wo seht ihr euer Start-up in fünf bis zehn Jahren?

Paul Bittner: Wir hoffen, dass sich die Quantenindustrie bis dahin etabliert und wir nicht nur im Forschungsmarkt aktiv sind. Mein Ziel ist, dass wir in zehn Jahren einer der führenden Anbieter für Tieftemperaturgeräte sind.

Wenn ihr euch einen idealen Partner oder Investor wünschen könntet – wer wäre das und warum?

Paul Bittner: Ideal ist ein Investor mit Erfahrung im Deep-Tech-Bereich, der bereits mit ähnlichen Teams zusammenarbeitet. Jemand, der nicht nur Kapital mitbringt, sondern uns auch inhaltlich unterstützen kann. Es gibt in diesem Bereich nicht viele Player, die wirklich tief in der Materie sind. Genau diese Kombination aus Geld, technischem Verständnis und Netzwerk ist für uns optimal.

Was möchtet ihr Gründerinnen oder Forschenden mit auf den Weg geben?

Jorginho Villar Guerrero: Mutig sein und den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Gerade nach dem Abschluss ist der richtige Zeitpunkt, um etwas auszuprobieren.

Paul Bittner: Förderprogramme wie der „Exist-Forschungstransfer“ oder Wettbewerbe wie „Augsburg gründet!“ ermöglichen dabei, komplexe Themen ohne existenziellen Druck auszuarbeiten. Gleichzeitig lohnt es sich, die Unterstützungsangebote an Hochschulen aktiv zu nutzen.

Im Labor von Solidcryo entstehen Tieftemperatursysteme, die ohne das seltene Helium-3 auskommen. Dieses Gas kostet in Europa bis zu 20 Millionen Euro pro Kilogramm. Fotoquelle: B4BSCHWABEN.de / Angelina Märkl
Im Labor von Solidcryo entstehen Tieftemperatursysteme, die ohne das seltene Helium-3 auskommen. Dieses Gas kostet in Europa bis zu 20 Millionen Euro pro Kilogramm. Fotoquelle: B4BSCHWABEN.de / Angelina Märkl

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