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B4BSCHWABEN.de: Sie haben in der Pressemitteilung über die Auszeichnung in Ihrem Zitat gesagt, dass für Sie Familienunternehmen „der entscheidende Erfolgsfaktor der Wirtschaft“ sind. Können Sie das näher erläutern?
Dr. Michael Proeller: Das sind genau zwei Faktoren. Einerseits die langfristige Orientierung, dass man an seinen Überzeugungen und Zielen festhält. Andererseits die Fähigkeit, diese Ziele, wenn sie wirtschaftlich nicht mehr tragbar sind, zu korrigieren und meinetwegen auch eine 180 Grad Wende einzulegen und das dann auch offen zu kommunizieren. Das sind meiner Meinung nach die Fähigkeiten eines Familienunternehmers.
Man ist nur seinen MitarbeiterInnen und sich selbst Rechenschaft schuldig, nicht irgendwelchen Aktionären oder Investoren. Bei uns hat kein unbekannter Dritter Mitspracherecht, der ein ganz anderes Interesse am Unternehmen hat.
Meine MitarbeiterInnen haben Interesse an qualifizierten Arbeitsplätzen, die ihnen und ihren Familien langfristig Sicherheit bieten. Ich habe Interesse am Fortbestehen des Unternehmens und, dass meine MitarbeiterInnen einen qualifizierten Job haben und wir das Unternehmen zusammen voranzubringen.
Ja, natürlich ist es schwierig. Flache Hierarchien bedingen aber auch einen an der Spitze, der sich auf die fünf, sechs oder sieben neben ihm auch verlässt, ohne alles nachzuprüfen. Man muss als UnternehmerIn an der Spitze auch einsehen, dass man gewisse Sachen nicht kann. Ob das jetzt auf der technischen, kaufmännischen oder psychologischen-emotionalen Ebene ist oder, ob man das eben kommunikationsmäßig nicht kann. Und da gilt es natürlich, sich KollegInnen aufzubauen, denen man fast blind vertraut. Ich glaube, das ist schon eine Stärke eines Familienunternehmers oder speziell auch Erhardt+Leimer, dass ich in meiner Person derzeit an der Spitze durchaus ein paar KollegInnen habe denen ich 100 prozentig vertraue. Sie machen mich auch eigenständig auf strategischen Entwicklungen aufmerksam, die mir entgangen sind. Es ist immer ein Geben und Nehmen. Ein Unternehmen darf niemals so funktionieren, dass einer oben anschafft und blind militärischen Gehorsam erwartet.
Welche Rolle spielen in dieser Hinsicht junge Menschen?
Ich glaube es ist wichtig, junge Leute nachzuziehen und vor allem immer loyale Führungskräfte fürs Unternehmen zu finden. Das ist glaube ich leichter in Familienunternehmen oder familiengeführten Unternehmen, wo diese flachen Hierarchien herrschen, sodass sich die Führungskräfte zum Unternehmen committen. Ich spreche bewusst nicht von Jobhoppern, wo jeder immer nur weiterkommen möchte.
Flache Hierarchien bedingen natürlich auch, dass es nicht viele Kämpfe nach oben gibt. Eine flache Hierarchie heißt, es gibt nur eine Hierarchie. Das heißt, die Leute sollen an ihrer Funktion, an ihrem Ziel arbeiten.
Ich bin sehr oft vor Ort: Dreimal im Jahr in Indien, dreimal in den USA, zweimal in China, fünfmal in Korea. Der persönliche Kontakt zu den MitarbeiterInnen ist enorm wichtig, den kann auch eine Mail oder eine Videokonferenz nicht ersetzen. Ich nehme mir auch die Zeit, Führungspositionen bei den Auslandsgesellschaften persönlich zu besetzen und beim Auswahlprozess dabei zu sein und überlasse das nicht einer anonymen HR-Abteilung. Mir liegt schon sehr daran, kurze Entscheidungswege zu haben. Kurze Entscheidungswege heißt auch, auf gewisse Prüfsequenzen zu verzichten und den direkten Weg zu suchen. Das setzt aber voraus, dass man sich aufeinander verlassen kann und sich vertraut. Und dieses Vertrauen entsteht nur durch persönliche Selektion der Führungskräfte und täglichen Austausch.
Erhardt+Leimer existiert schon seit über 100 Jahren. Gibt es ein Erfolgsrezept?
Der Erfolg hat immer drei Väter. Der eine ist die Vergangenheit, die kann man nicht mehr ändern. Der zweite ist die Gegenwart, an der arbeitet man. Und der dritte ist die Zukunft, die kennen wir nicht. Deshalb muss man sechs von zehn Entscheidungen richtig machen. Das reicht. Und was wahnsinnig wichtig für den Erfolg eines Unternehmens ist, dass wir wirklich versuchen, uns in unserer Nische zu spezialisieren. Ganz nach dem Motto „Schuster, bleib bei deinen Leisten“. Vermeide große Eskapaden und mach keine Abenteuer und versuche nicht mit aller Gewalt zu wachsen. Das geht meistens schief. Lieber ein gesundes, organisches, spezialisiertes Wachstum als ein schnelles anorganisches oder durch Zukäufe diversifiziertes Wachstum und auf der ganzen Welt fokussiert bleiben.
Sie müssen sich mal die Komplexität vorstellen. Wir haben 70.000 verkaufsfähige Produkte und sind in ungefähr zehn Branchen dieser Welt unterwegs. Wenn Sie in der Batterieindustrie und in der Textilindustrie unterwegs sind, müssen Sie Ihre Produkte beiden erklären können. Hier geht das noch, denn hier sprechen alle Deutsch. Dann müssen Sie das Gleiche aber auch in den USA, Korea, China, Indien, Brasilien, Pakistan, Japan, Indonesien, etc. machen. Jeder Faktor potenziert die Komplexität. Und je mehr Komplexität sie im Kernunternehmen, also in der Zentrale, haben, desto weniger tritt der Erfolg an den Standorten im Ausland ein. Diese sind aber wahnsinnig wichtig, um das Ganze am Laufen zu halten. Denn uns allen ist klar, dass wir vom Standort Deutschland allein nicht mehr leben können. Deswegen heißt es, sich zu fokussieren, die Komplexität niedrig zu halten und lieber den Erfolg parallel ins Ausland zu transformieren, damit er auch wieder zurück nach Augsburg kommt.
Kommt es für Sie auch in Frage von Augsburg komplett ins Ausland zu gehen?
Auf keinen Fall. Das ist auch gar nicht möglich. Ja, auch wir haben Teilbereiche verlagert. Wir haben 400 KollegInnen in Indien, 250 in China, 150 in USA. Diese leben ja nicht vom Däumchendrehen dort, sondern müssen etwas produzieren. Und natürlich ist bei uns ein inkrementeller Prozess. Wir müssen sagen können: „Produkt A wird jetzt in Deutschland nicht mehr so nachgefragt. Das brauchen aber die KollegInnen in Indien, weil es dort gut auf den Markt passt. Das muss aber offen kommuniziert werden. Also spreche ich sofort mit der Belegschaft und mit dem Betriebsrat. Das kann zum Beispiel bedeuten: „Wir haben hier ein Produkt X, das hat sieben Arbeitsplätze in der Produktion. Ich plane, das die nächsten zwei Jahre nach Indien zu verlagern. Die Kollegen arbeiten nicht mehr am Produkt A, sondern die gehen jetzt bitte auf Produkt B, denn da erwarten wir einen höheren Absatz hier in Deutschland.“ Die besagten sieben Kollegen werden dann auf der neuen Maschine geschult und behalten somit ihren Job, so dass die Kollegen ein Job Enrichment haben und kein Job wegfällt. Aber um es ganz kurz und konkret zu machen: Hier in Augsburg sitzt das Brain, hier sitzt die DNA. Nicht nur das Know-how, sondern sprichwörtlich die DNA.