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Sie haben das Start-up OCTA gegründet. Was war Ihre Motivation und worin unterscheidet sich Ihr Ansatz von klassischer Personalvermittlung?
Anna Männle: OCTA ist aus dem Netzwerk „Talente für die Region" entstanden, das kürzlich sein 10-jähriges Jubiläum gefeiert hat. Ich bin seit sieben Jahren Teil dieses Netzwerks. Dort haben wir früh erkannt, wie stark sich der Arbeits- und Fachkräftemangel in Deutschland zuspitzt und wie wichtig es ist, langfristig gedachte Besetzungen frühzeitig anzugehen, indem wir Unternehmen mit jungen, studierenden Talenten verknüpfen. Gemeinsam mit meinem Geschäftspartner Christian Gebler habe ich die eigenständige OCTA GmbH gegründet – mit dem Ziel, neben jungen Talenten auch erfahrene Professionals und Executives zu vermitteln: branchen- und positionsübergreifend, mit einem klaren Fokus auf den Mittelstand. Viele Personalvermittler sorgen bei der Besetzung von Schlüsselpositionen leider für hohen Durchlauf ohne echtes Interesse an den vermittelten Personen oder am nachhaltigen Unternehmenserfolg. Nach mehreren Jahren im Angestelltenverhältnis in der Executive Search habe ich gemerkt, dass mir der ethische Aspekt fehlt: Der Anspruch, Menschen nicht nur zu vermitteln, sondern sie mit ehrlicher und guter Intention zu begleiten. OCTA steht daher für echtes Handwerk mit Haltung. Beziehungen, Vertrauen und der Wunsch, das Leben anderer zu bereichern, sind das Herzstück unserer Arbeit.
Ein zentraler Punkt ist, dass wir den Kandidatenpool für Unternehmen um interessante Optionen erweitern. Das gelingt uns vor allem durch gezielte Direktsuche und Direktansprache von Kandidatinnen und Kandidaten, die selbst nicht aktiv auf Jobsuche sind. Besonders im Fokus stehen momentan Profile mit Bezug zu Augsburg – etwa durch ein früheres Studium oder weil es ihre Heimat ist. Viele Menschen ziehen im Laufe ihres Lebens weg oder ins Ausland, sind aber grundsätzlich offen für eine Rückkehr. Und ich muss sagen: Das funktioniert mit Augsburg erstaunlich gut. Bei OCTA starten wir bewusst im persönlichen Netzwerk: Wir rufen sogenannte „Senior Advisor“ an, die wir aus Aufsichtsräten oder C-Level-Positionen kennen, und fragen sie nach Empfehlungen. Genau hier entstehen oft die spannendsten und konkretesten Gespräche. Weil es in Deutschland grundsätzlich an qualifiziertem Personal fehlt, wollen wir in naher Zukunft auch Brücken zwischen Georgien (meinem Hauptwohnsitz) und Deutschland schlagen. Viele Georgierinnen und Georgier lernen schon in der Schule Deutsch und wünschen sich, damit irgendwann beruflich in Deutschland durchzustarten. Auch hier setzen wir auf persönliche Nähe: Es handelt sich um Kandidatinnen und Kandidaten, die ich persönlich vor Ort in Tbilisi (Tiflis) – der Hauptstadt Georgiens – treffen werde. Erwähnenswert ist auch, dass wir mit OCTA innerhalb von „Talente für die Region“ unsere Kooperationspartner unterstützen und Schwankungen gemeinsam abfedern können. Geht es einem Partner einmal schlechter und einem anderen besser, prüfen wir, wie wir Mitarbeitenden innerhalb des Netzwerks neue berufliche Perspektiven eröffnen können.
Es war tatsächlich perfektes Timing, auch wenn es sich etwas hingezogen hat. Christian hatte das Thema schon vor anderthalb Jahren erstmals angesprochen, und wir haben fast ein Jahr intensiv darüber gesprochen. Uns war wichtig herauszufinden, ob wir als Team wirklich zusammenpassen und ob der Bedarf im Markt vorhanden ist. Es gibt viele Anbieter, aber nur wenige, die wirklich verstehen, wie viel Verantwortung in einer Besetzung steckt. Mitte 2024 stand ich selbst an einem Wendepunkt: Meine Entscheidung schwankte zwischen einem MBA-Studium an der ESADE in Barcelona und dem Schritt in die Selbstständigkeit. Ich kam zu dem Entschluss: Weiterbildung bleibt für mich ein kontinuierlicher Prozess – aber die Chance, gemeinsam mit Christian zu gründen, wollte ich genau jetzt nutzen.
Einiges! Der erste Punkt war sicherlich: raus aus dem sicheren Angestelltenverhältnis, rein in die Unsicherheit. Für mich war es ein mutiger Schritt und einer, der viel Klarheit und Entschlossenheit verlangt. Christian und ich wollten außerdem sicherstellen, dass wir in herausfordernden Momenten gut zusammenarbeiten können. Eine freundschaftliche Verbindung ist das eine, unternehmerisch gemeinsam zu denken und zu entscheiden, nochmal etwas ganz anderes. Und natürlich gab es auch ganz praktische Herausforderungen. Gründung heißt, Strukturen zu schaffen, Prozesse aufzusetzen, Entscheidungen zu treffen. Ein zentrales Element war dabei die Entwicklung unseres Preismodells – eines, das unseren Qualitätsanspruch widerspiegelt und von unseren Kunden als partnerschaftlich wahrgenommen wird. Wir haben intensiv diskutiert, unterschiedliche Perspektiven eingeholt – unter anderem vom Beirat des Netzwerks „Talente für die Region“ und von Unternehmern. Schließlich haben wir uns dazu entschieden, das letzte Drittel unseres Honorars erst nach Ende der Probezeit zu berechnen. Das ist eher untypisch, aber es ermöglicht uns, das Risiko mit unseren Kunden zu teilen. Sollte ein Arbeitsverhältnis in der Probezeit nicht bestehen bleiben, tragen wir die Verantwortung gemeinsam.
Nach meinem Studium in Augsburg war ich drei Jahre in Barcelona. Doch mit der Zeit wirkten viele europäische Großstädte auf mich zunehmend gleich – sehr kommerzialisiert, wenig überraschend, und mir fehlte die Nähe zur Natur. Ich wollte einen Ort finden, an dem noch echte Kultur und Gemeinschaft gelebt werden – ein Umfeld, in dem ich mir eine starke Community aufbauen kann. Georgien, insbesondere die Hauptstadt Tbilisi, bot mir all das: eine aufstrebende, kreative Szene und gleichzeitig eine politische Technoszene, in der ich selbst aktiv bin. Tbilisi wird nicht ohne Grund als das Berlin der 90er bezeichnet – vieles ist im Wandel, unperfekt, roh, mit Ecken und Kanten. Genau das hat mich angezogen. Auch der geringe bürokratische Aufwand im Land hat mir die Entscheidung leicht gemacht. Ich dachte mir: „Komm, pack deine zwei Koffer und probier’s einfach aus. Wenn’s dir nicht gefällt, ziehst du wieder weg.“ Aber dann habe ich mich in die Menschen und das Lebensgefühl verliebt – und lebe nun schon seit zwei Jahren dort.
Es ist sicherlich nicht der einfachste Weg, aber für mich der richtige. Natürlich bringt er zusätzlichen Aufwand mit sich: mehr Organisation, höhere Kosten und häufige Reisen. Dennoch überwiegen für mich klar die Vorteile. Ich arbeite in Coworking Spaces, umgeben von vielen Einheimischen und einer internationalen Community, die mich inspiriert, fordert und immer wieder neue Blickwinkel eröffnet. Für Kundentermine reise ich regelmäßig nach Augsburg und plane meine Zeit dort so, dass alles gut gebündelt ist. Ja, es ist definitiv anstrengender – aber mir ist es das wert. Mein Alltag in Georgien beflügelt mich.
Zukunft ist für mich ein unglaublich spannendes Thema – ich habe viel zu viele Ideen (lacht). Besonders inspiriert mich dabei Georgien. Gerade weil vielen Einheimischen die finanziellen Mittel fehlen, erlebe ich dort eine beeindruckende Kreativität und echte Wertschätzung. Das erdet mich – und schenkt mir eine ganz besondere Perspektive auf die Welt und auf vieles, was ich früher als selbstverständlich betrachtet habe. Aktuell starten wir mit OCTA im klassischen Executive Recruiting und besetzen offene Führungspositionen für Unternehmen. Eine erste konkrete Idee für die Zukunft ist, meine persönlichen Kontakte in Georgien zu nutzen, um besondere Formate zu entwickeln, etwa Workshops und Outdoor-Retreats für Teams oder einzelne Führungskräfte, die einmal ganz bewusst den Alltag hinter sich lassen möchten. Ich kenne in Georgien fantastische Breathwork- und Sport-Coaches, die vielfältige Programme für Unternehmen anbieten – mitten in der atemberaubenden Natur. Der Fokus liegt darauf, neue Perspektiven zu gewinnen und persönliche Weiterentwicklung sowie mentale Stärke zu fördern. Denn ich bin überzeugt: Wenn jeder ein bisschen mehr an sich selbst arbeitet, wirkt sich das auf vieles positiv aus. Mein langfristiges Ziel ist es, gemeinsam mit meinen Kunden und dem Kreis, den ich in Georgien aufgebaut habe, einen offenen, herzlichen und unvergesslichen Austausch zu schaffen.
Ich gebe hier nur einen groben Überblick – mit Fokus auf das, was uns womöglich von anderen Dienstleistern unterscheidet. Alles beginnt damit, dass ich das Unternehmen persönlich vor Ort besuche. Im direkten Austausch mit der Geschäftsführung und den relevanten Teams entwickle ich nicht nur ein klares Verständnis für die fachlichen Anforderungen, sondern auch ein Gespür für Teamdynamiken und Unternehmenskultur. Die Kandidatensuche gestalte ich von Anfang an interaktiv – oft starten wir direkt mit einem Videointerview anstelle eines klassischen Telefonats. Wenn sich im Gespräch ein besonders guter Match abzeichnet, zeichne ich kurze Videosequenzen auf. Darin sprechen die Kandidatinnen und Kandidaten zum Beispiel über ihre Motivation und stellen sich authentisch vor. Diese Videos ermöglichen es Unternehmen, in kürzester Zeit ein Gefühl für die Person hinter dem Profil zu bekommen – und schnell fundierte Entscheidungen zu treffen. Das erhöht nicht nur die Treffsicherheit, sondern beschleunigt den gesamten Prozess. Ein klarer Vorteil in einem Markt, in dem qualifizierte Fachkräfte meist mehrere Optionen haben. Vor der finalen Entscheidung hole ich zudem immer Referenzen von früheren Arbeitgebern ein – für zusätzliche, realistische Einblicke. Der gesamte Prozess lebt von enger, ehrlicher Kommunikation – mit dem Ziel, zügig das bestmögliche Match zu finden. Christian und ich möchten Verbindungen schaffen, die überraschen – und ohne uns wahrscheinlich nie entstanden wären.