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So will sich Blossenau von russischem Erdgas unabhängig machen
Interview

So will sich Blossenau von russischem Erdgas unabhängig machen

Symbolbild. Blossenau will sich von Erdgas unabhängig machen.
Symbolbild. Blossenau will sich von Erdgas unabhängig machen. Foto: pixelio.de / Philipp Wiatschka

Die Energiepreise steigen. Der Ukraine-Krieg beschleunigt diese Entwicklung noch weiter. Ein Dorf im Donau-Ries will sich jetzt von Erdgas unabhängig machen. Mit-Initiator Lothar Behringer erklärt im Interview, wie das funktionieren soll.

B4BSCHWABEN.de: Blossenau will sich von Erdgas unabhängig machen. Wie wird das Dorf künftig stattdessen mit Wärmeenergie versorgt?

Lothar Behringer: Zwei Landwirte errichten eine Gülle-Biogasanlage. Überwiegend wird hier Gülle und Mist eingesetzt und gegebenenfalls zu einem geringen Anteil auch Mais. Es war uns wichtig, dass der überwiegende Teil aus Gülle und Mist kommt, da dieser „Einsatzstoff“ ohnehin und „kostenlos“ anfällt.

Das heißt, das Dorf wird, überspitzt gesagt, zu 100 Prozent mit Gülle geheizt?

Nicht ganz. Die Anlage wird rund 50 Prozent der benötigten Wärmenergie erzeugen. Die anderen 50 Prozent werden durch die Errichtung einer Hackschnitzelkesselanlage bereitgestellt. Das hier benötigte Holz wird ebenfalls aus der näheren Region kommen. Weiter werden hier auch Synergien gehoben. Das Rauchgas beim Betrieb des Hackschnitzelkessels wird weiter abgekühlt und zusätzlich Wärme entzogen. Diese Wärme, die ein geringeres Temperaturniveau aufweist, wird dann für die Beheizung des Fermenters der Biogasanlage verwendet. Dadurch kann die Motorabwärme der Stromproduktion in größtmöglichen Umfang für das Wärmenetz verwendet werden. Das Ziel, das erreicht wird, ist, dass der Brennstoff, der eingesetzt wird, stets bestmöglich genutzt wird. Konkret heißt das: hohe Effizienz erreicht und nichts verschwenden.

Inwiefern profitieren die Landwirte von diesem Projekt? 

In Blossenau werden rund 2,4 Millionen Kilowattstunden Wärme pro Jahr von denjenigen verbraucht, die sich an das Wärmenetz anschließen. Betrachte man es sich anschaulich mit Heizöl, entspricht dies einer Menge von rund 280.000 Litern pro Jahr. Das heißt, durch dieses Projekt bleiben bei einem Heizölpreis von 1 Euro pro Liter jährlich 280.000 Euro im Dorf. Entweder sparen es sich die Nutzer oder es bleibt bei den Land- beziehungsweise Forstwirten. Heute kostet der Liter Heizöl 1,70 Euro. Dann sprechen wir schon von 476.000 Euro. Egal wie, bei einer Nutzungsdauer von 50 Jahren, kommt ein erheblicher Millionenbetrag zusammen, der im Dorf oder Region bleibt. Das ist dann gelebte regionale Kreislaufwirtschaft.  {recangle_right}

Und wieviel Geld sparen die Haushalte?   

Natürlich sind in Blossenau auch die unterschiedlichsten Heizsysteme im Einsatz. Als wir vor circa 1,5 Jahren die Bürger informiert haben, wurde bei der Vergleichsberechnung beim Heizölkunden ein Heizölpreis von 82,5 Cent pro Liter angegeben. Bei einem jährlichen Verbrauch von 3.150 Liter ergab sich beim Vollkostenvergleich eine Einsparung von 460 Euro pro. Heute haben wir einen Heizölpreis von 170 Cent pro Liter. Das heißt, die Einsparung aus heutiger Sicht gegenüber Heizöl beläuft sich auf rund 3.200 Euro pro Jahr. Da wir zu Beginn die Preise sehr konservativ berechnet haben, können sie stand heute, auch noch so gehalten werden, wie vor 1,5 Jahren angekündigt. Ich hoffe, dass die Energiepreise nicht auf diesem hohen Niveau bleiben. Für die Beheizung wird es aber den Blossenauern zukünftig (fast) egal sein können.

Ab wann ist das neue Wärmenetz einsatzbereit? 

Wir werden in diesem Jahr die Wärmeleitungen bauen, danach folgt das Heizhaus und vor der Winterperiode 2023/24 werden die ersten Häuser um geschlossen. Dies wird einen Zeitraum von etwa drei Jahren in Anspruch nehmen. 

Wieso konnten Sie nicht eher starten?

Dies liegt daran, dass viele Bewohner von Blossenau noch ausreichend Brennstoff, etwa Heizöl, haben. Dieses soll noch aufgebraucht werden. Andere wiederum müssen erst noch das Zentralheizungssystem installieren müssen.  

Welche Hürden galt es zu bewältigen, den Ort an ein alternatives Wärmenetz anzuschließen?

Die Grundvoraussetzung war, dass genügend mitmachen. Es wurde ganz transparent die Vergleichsberechnungen für jeden individuell erstellt. Dann konnte jeder „seine“ Zahlen verwenden und entscheiden, ob es für ihn sinnvoll ist, sich an das neue Wärmenetz anzuschließen, oder nicht. Gerade bei denen, die jetzt mit Scheitholz heizen, war nicht unbedingt der Preis ausschlaggebend, sondern auch die Arbeit beziehungsweise das Alter. Wichtig war auch die notwendige Flexibilität bei der Preis- und Anschlussgestaltung. Jeder befindet sich in einer anderen Situation. Also haben wir angeboten, dass man sich anschließen lassen kann und sofort Wärme bezieht. Der eine kann dafür einmalig einen Baukostenzuschuss bezahlen, der andere kann diesen über die Zeit in Form eines Grundpreises bezahlen.   

Und wer noch nicht anschließen will?

Der kann sich die Leitung bis ins Grundstück oder bis ins Haus legen lassen und zu einem späteren Zeitpunkt anschließen. Hauptsache, man muss die Straße nicht wieder aufmachen. Das wird dann nämlich teuer. Wer eine neue Heizung hat, der muss eine bestimmte Zeit den Grundpreis oder Baukostenzuschuss nicht bezahlen. Er hatte ja erst in eine Heizung investiert. Ziel war es, dass es keine wirtschaftlichen Gründe gab, nicht an das Netz anzuschließen. Da wir nun circa 90 Prozent der Gebäude am Netz haben werden, scheint dies gut gelungen zu sein.

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