
Holen Sie sich B4BSCHWABEN.de auf Ihr Smartphone.
Klicken Sie auf das Symbol zum „Teilen” in der Toolbar von Safari. Finden Sie die Option „Zum Home-Bildschirm”. Mit einem Klick auf „Hinzufügen” ist die Installation abgeschlossen! Schon ist die Website als App auf Ihrem iOS-Gerät installiert.
Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln sagen 84 Prozent der Unternehmen, dass die Mängel in der Verkehrsinfrastruktur ihre Geschäftstätigkeit beeinträchtigt. Gianluca Crestani, Geschäftsführer der Roman Mayer Logistik Group, warnt vor massiven Folgen für die Logistikbranche und die deutsche Wirtschaft. Er fordert eine Pkw-Maut, um Straßen und Brücken zu modernisieren.
B4BSCHWABEN.de: Wie erleben Sie als Geschäftsführer des Logistikunternehmens Roman Mayer Logistik Group die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland?
Gianluca Crestani: Wir erleben das mit allem, was dazugehört: Wegen Baustellen gibt es massive Tempolimits, manche Abschnitte sind im großen Stil gesperrt – Stichwort Brückensanierungen. Staubedingt haben wir also enorme Zeitverluste und Mehr-Kilometer. Dadurch erhöhen sich die Kosten, zusätzlich zu den Kostensteigerungen, die wir ohnehin alle erleben. Das Schlimme ist, dass wir die Zeitverluste und Mehr-Kilometer vorher nicht einschätzen können. Dadurch werden auch unsere Kosten immer schwerer kalkulierbar. Das ist wie eine Reise ins Ungewisse und führt dazu, dass man verlässliche Transportplanungen eigentlich kaum mehr gestalten kann – weder für uns und unsere Fahrer noch für unsere Kunden. Wenn Lieferungen zwingend zu einer bestimmten Uhrzeit da sein müssen, planen wir inzwischen enorme Pufferzeiten ein, sodass diese halbwegs sicher zum richtigen Zeitpunkt ankommen. Hinzu kommt der Frust bei den Fahrerinnen und Fahrern. In der Branche herrscht sowieso schon enormer Fahrermangel. Wenn dann noch stundenlange Staus und Umwege hinzukommen, macht das den Job noch unattraktiver. Für bestimmte Regionen wie zum Beispiel in bestimmten Gebieten des Ruhrgebiets findest du dann kaum einen Frachtführer, der dort hinfahren will.
Wo drückt aus Ihrer Sicht der Schuh bei der Verkehrsinfrastruktur am meisten?
Ich sehe zwei Aspekte. Das, was wir erleben, ist das Ergebnis von jahrzehntelanger Misswirtschaft. Denn wir haben einen Sanierungsstau, der fast schon ins Unendliche geht. Der zweite Aspekt ist: Wenn wir bauen, dann dauert es wegen der Planungs- und Genehmigungsverfahren sehr lange, bis wir mit dem Bauen überhaupt anfangen können. Ich glaube, da sind wir mittlerweile Weltmeister. Bis das Projekt dann tatsächlich fertig ist, sind die Baukosten explodiert, weil alles viel zu lange gedauert hat. Diese Aspekte gelten übrigens nicht nur für die Verkehrsinfrastruktur, sondern für alle Bauprojekte und Sanierungen im Moment.
Laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln ist aus dem „einstigen Standortvorteil Infrastruktur“ inzwischen ein Hemmschuh für die deutsche Wirtschaft geworden. Wie sehen Sie das?
Das hat das Institut sehr gut auf den Punkt gebracht. Man hat offensichtlich vergessen, dass eine intakte Volkswirtschaft nur dann möglich ist, wenn die Verkehrsinfrastruktur passt. Zum einen entscheidet sie darüber, wo sich Unternehmen ansiedeln. Unternehmen prüfen, wie sie angebunden sind: Wie versorge ich meine Produktion und wie schnell bin ich bei meinem Kunden? Zum anderen beeinflusst die Verkehrsinfrastruktur, ob sich Mitarbeitende für ein Unternehmen entscheiden. Denn die achten nicht nur darauf, wie toll ein Job oder das Gehalt sind, sondern auch, wie einfach sie in die Arbeit und wieder nach Hause kommen. Verkehrsinfrastruktur ist immer das Rückgrat einer Volkswirtschaft. Wir waren in Deutschland lange dafür bekannt, dass unser Straßennetz und die Bahn funktionieren, dass wir gut angebunden, zuverlässig und pünktlich sind. Wenn all diese Faktoren nicht mehr in einem akzeptablen Umfang vorhanden sind, dann beginnen sich Unternehmen zu fragen, ob das eigentlich noch der Standort ist, an dem sie künftig weiter produzieren oder verkaufen möchten.
Mit dem 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen will die Bundesregierung die Infrastruktur verbessern. Gleichzeitig verschiebt sie Infrastrukturinvestitionen vom Kernhaushalt in den Sonderfonds. Haben Sie als Unternehmer Hoffnung, dass das Sondervermögen unsere Infrastruktur wirklich modernisiert und für einen Wirtschaftsaufschwung sorgt?
Was die Verkehrsinfrastruktur angeht, bis jetzt, ganz eindeutig nein. Weil letztendlich nicht mehr Geld hineinfließen wird, als es bis dato der Fall ist. 500 Milliarden hören sich im ersten Moment nach enorm viel Geld an. Aber die haben eine Laufzeit von 12 Jahren und an den Bund gehen „nur“ 300 Milliarden. Über die Laufzeit gerechnet kann der Bund also jährlich 25 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen in die Infrastruktur investieren. Mit Infrastruktur ist aber nicht nur die Verkehrsinfrastruktur gemeint, sondern alle Bereiche. Wenn dann noch Investitionen aus dem regulären Haushalt verschoben werden, wird das am Ende zum klassischen Etikettenschwindel.
Welche Lösung sehen Sie, um mehr Geld für die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung zu haben?
Man muss hier schnell das Thema Pkw-Maut in Angriff nehmen. Wir sind die einzige große Volkswirtschaft in der EU, die keine Autobahnmaut erhebt. Wenn man die Maut-Einnahmen Österreichs auf Deutschland hochrechnet, entgehen uns pro Jahr rund sechs Milliarden Euro. Das Debakel von Andreas Scheuers Mautplänen hat uns also nicht nur die 270 Millionen Schadenersatz gekostet: Uns sind seitdem hochgerechnet mehr als 30 Milliarden Euro Mautgebühren entgangen. Die uns jetzt fehlen. Schauen wir uns doch mal den Zustand der Autobahnen in Österreich oder Italien an! Der ist deutlich besser als bei uns.
Was müsste denn die Politik als Erstes anpacken, um Wirtschaft und Logistik zu entlasten?
Zwingend eine Einführung der Pkw-Maut. Es müssen auch dringend Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigt werden. Wir brauchen eine echte Entbürokratisierung! Zudem sollten wir in Deutschland Public-Private-Partnership-Projekte stärker forcieren. Damit haben wir bundesweit positive Erfahrungen gesammelt. Ein gutes regionales Beispiel ist hier der private Ausbau der A8. Denn die Privatwirtschaft baut schneller und effizienter als der Staat. Wir müssen hier wirklich Geschwindigkeit aufnehmen. Bei der Verkehrsinfrastruktur ist es inzwischen fünf nach 12. Nicht nur auf den Straßen, sondern auch bei der Bahn. Damit mal klar ist, von welchen Dimensionen wir hier sprechen: In Deutschland sind laut einer Studie circa 16.000 Brücken dringend sanierungsbedürftig beziehungsweise so marode, dass man sie eigentlich abreißen muss.
Eine moderne, zukunftsfähige Verkehrsinfrastruktur in Deutschland – wie sieht die für Sie aus?
Dass wir unser Straßennetz nachhaltig wieder auf Vordermann bringen, und zwar schnell. Dass wir vielleicht auch neue Wege gehen müssen, zum Beispiel mit Road Pricing, um Verkehr über den finanziellen Aspekt anders zu steuern: Wenn bestimmte Auslastungen auf einer Strecke überschritten werden, wird diese höher bepreist als in auslastungsschwachen Zeiten. Damit lassen sich zumindest in Teilen Verkehrsströme besser steuern. Der Verkehrssektor braucht einen echten Paradigmenwechsel. Das Allerwichtigste ist aber, dass wir die Infrastruktur wieder in Gang bekommen. Und das funktioniert nur über Geld – und da sind wir wieder bei der Pkw-Maut.
Wir hatten vor einem Jahr ein Interview zur Transport- und Logistikbranche. Da haben wir über Fahrermangel, steigende Transportkosten, vermehrte Insolvenzen gesprochen. Wie hat sich die Situation seitdem entwickelt?
Es ist leider Gottes bei allen Themen nahtlos weitergegangen. Wir haben nach wie vor einen massiven, chronischen Fahrermangel. Wenn die aktuelle konjunkturelle Schwäche etwas Gutes hat, dann, dass der Fahrermangel nur bedingt durchschlägt. Hätten wir in den letzten drei Jahre zwischen zwei und drei Prozent Wirtschaftswachstum gehabt, würde der Transportmarkt in bestimmten Zeiten kollabieren. Ich hatte gehofft, dass seit unserem letzten Interview irgendwas passieren würde. Aber wir erleben politischen Stillstand. Es wird nichts entschieden, egal ob richtig oder falsch. Die Koalitionäre betreiben Mikromanagement und bohren schlicht und ergreifend die falschen Bretter, anstatt wirklich die großen Themen anzupacken. Das macht mir Sorgen.
Was macht Ihnen denn im Moment Hoffnung?
Was macht mir Hoffnung? Ich bin ein optimistischer Typ und ich glaube, dass dieses massive Problem an vielen Ecken mittlerweile so durchschlägt, dass es die Top-Entscheider verstanden haben. Das gibt mir Hoffnung. Und trotzdem habe ich die Befürchtung, dass wir einfach zu langsam sind. Ich habe das Gefühl, dass Corona, der Krieg in der Ukraine, Krisen weltweit und Handelskriege uns sehr oft als Alibi dienen. Klar, das alles wirkt sich negativ auf unsere Wirtschaft aus. Aber diese Bedingungen haben auch andere Länder und deren Wirtschaft wächst trotzdem. Viele Probleme unserer Wirtschaft in Deutschland sind hausgemacht. Stichwort Energiekosten. Hinzu kommt, wir haben bestimmte technologische Entwicklungen schlicht und ergreifend entweder verschlafen oder nicht ernst genug genommen. Stichwort Elektrifizierung und Dekarbonisierung im Straßenverkehr. Oder KI. Für die bereits genannten Rahmenbedingungen können wir nichts, aber wir haben nach wie vor sehr viele Dinge selbst in der Hand. Ich bin überzeugt, dass wir in Deutschland nach wie vor ganz, ganz viele großartige Unternehmerinnen und Unternehmer haben. Dass wir tolle Leute haben, die was bewegen wollen und auch bewegen können. Aber wir müssen echt ran an den Speck. Alles andere bringt uns nicht wirklich weiter.