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Man könnte meinen, wenn die Konjunktur schwach ist, sinken auch die Kosten für LKW-Transporte. Tatsächlich aber sind die Transportkosten laut der Ladungsbörse Timocom im dritten Quartal im Vergleich zu 2023 um knapp 15 Prozent gestiegen. Wie kommt das?
Ich mache den Job jetzt auch schon ein paar Tage und erlebe das in dieser Form zum ersten Mal. Trotz konjunkturell bedingtem Rückgang der Transportmengen, sind die Transportpreise signifikant gestiegen. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe. Zum einen hat sich der chronische Fahrermangel mit erschreckenden Zahlen nochmals verstärkt. Allein in Europa fehlen im Moment über 230.000 Fahrerinnen und Fahrer. Sollten die Prognosen der IRU (International Road Transport Union) nur im Ansatz stimmen, wird diese Zahl bis zum Jahr 2028 auf fast 750.000 ansteigen. Die eigentlich zur Verfügung stehenden Fahrzeugflotten können schlicht und ergreifend nicht ausreichend mit dem entsprechenden Personal besetzt werden. Selbst in konjunkturellen Schwächeperioden steht somit nicht mehr ausreichend Laderaum zur Verfügung.
Und der andere Grund?
Die Kapazitäten sind in den letzten 24 Monaten deutlich nach unten gegangen. Das liegt einerseits an der zunehmenden Anzahl von Insolvenzen. Dadurch wurden zum Beispiel allein im Großraum Augsburg in den vergangenen Wochen durch mehrere Konkurse Fuhrparkgrößen von fast 100 Fahrzeugen kurzfristig aus dem Markt genommen. Gleichzeitig erleben wir einen regelrechten Boom, was die Veräußerung oder Schließung von kleineren bis mittelständischen Transport- und Speditionsunternehmen angeht. Viele dieser Familienunternehmen haben entweder massive finanzielle Probleme oder eine unklare Nachfolgeregelung in der Unternehmensleitung. Sowohl eine Betriebsstilllegung als auch ein Weiterverkauf sind dann in der Regel sehr oft mit einem Kapazitätsabbau verbunden. Denn durch Fusionen ergibt sich bei den Kapazitäten am Ende ganz oft ein negativer Gesamteffekt. Eins plus eins ergibt dann nicht zwei, sondern zum Beispiel nur 1,8.
Sie haben gesagt, dass der Mangel an Fahrer und Fahrerinnen chronisch ist. Woran liegt das?
Wenn Sie sich den Job eines Fahrers anschauen, dann haben wir dort zum Teil Einsätze bis zu sechs Tagen. Man darf nicht vergessen: Transport beginnt nicht morgens um 8 Uhr und endet um 17 Uhr, sondern Transport findet rund um die Uhr statt. Wenn wir alle in unseren Betten liegen, sind ganz viele Fahrerinnen und Fahrer unterwegs, damit Industrie und Handel versorgt werden. Gleichzeitig wird in einigen Arbeitsbereichen schon seit längerem über die 4-Tage-Woche diskutiert und zum Teil in Pilotprojekten umgesetzt. Das Arbeiten im Home-Office hat sich weiter in vielen Teilen der Berufswelt etabliert. Das klingt für die Mehrzahl der jungen Menschen, die einen Ausbildungsberuf suchen, attraktiver.
Und dann gibt es natürlich noch das Thema Stau …
Die öffentliche Hand trägt das Ihrige dazu bei, die Tätigkeit der Fahrerinnen und Fahrer zu erschweren. Durch eine veraltete und unzureichende Infrastruktur, Stichwort Autobahnen und Raststätten, aber auch durch eine überbordende Bürokratie und politische Scharmützel, Stichwort Blockabfertigungen an bestimmten Grenzübergängen zwischen EU-Staaten. Wir ärgern uns als Privatpersonen, wenn wir auf der Urlaubsreise im Stau stehen. Für Fahrerinnen und Fahrer von LKWs ist das jedoch der tägliche Wahnsinn. Wer unter diesen Aspekten diesen Beruf heute und auch in Zukunft ausübt, der muss schon sehr viel Herzblut mitbringen.
Was können Transportdienstleister gegen den Fahrermangel machen?
Das beginnt bei der Vergütung, die natürlich in den letzten Jahren vor allem durch den Fahrermangel und die gleichzeitig starke Inflation überproportional gestiegen ist. Die Fahrerlöhne sind im Vergleich mit vielen anderen Berufen mittlerweile absolut attraktiv. Gleichzeitig hat sich die Wertschätzung der Fahrerinnen und Fahrer zumindest innerhalb der Branche massiv verbessert. Man begegnet ihnen mit dem nötigen Respekt und schafft bessere Bedingungen. Und: Viele Transportunternehmen sind selektiver, welche Aufträge sie annehmen. Wenn ein Auftrag dem Fahrer nicht zugemutet werden kann, z. B. wegen massiver Standzeiten oder sonstiger Unwägbarkeiten, dann wird dieser abgesagt.
Was muss politisch passieren?
Der Staat muss zeitnah und dringend die aus dem Ruder gelaufene Bürokratie abbauen. Es gibt kaum einen Beruf, bei dem ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin im Laufe seiner Berufslaufbahn so oft seine berufliche Eignung durch aufwändige Präsenzveranstaltungen und Tests nachweisen muss, wie es die Fahrerinnen und Fahrer tun. Diese Prozesse kosten viel Zeit und Geld und hemmen die Attraktivität des Berufs. Es gibt heute E-Learning oder E-Tools, wie sie z. B. in Österreich angewendet werden. Leider sind wir davon in Deutschland weit weg. Das Thema Infrastruktur – ob das die Straßen selbst sind oder die Raststätten – ist ein weiterer Baustein. Hier erleben wir tagtäglich das Fiasko einer jahrzehntelangen politischen Mangelverwaltung, unabhängig von welcher Bundesregierung wir sprechen. Gleichzeitig muss der Staat den Fahrerberuf gezielter bei der Einwanderungspolitik in den Fokus nehmen. Der Fahrermangel reiht sich nahtlos in den Fachkräftemangel anderer Branchen ein. Ich bin kein Politiker, aber ich würde mir deutlich mehr Mut und Pragmatismus bei der Problembewältigung wünschen. Was würde denn dagegensprechen, bestimmte Berufe, die für das Funktionieren einer Gesellschaft eine vitale Funktion haben und bei denen objektiv ein massiver quantitativer Mangel festgestellt wird, steuerlich besser zu stellen? Diese Maßnahme würde diese Berufe sofort attraktiver machen und gleichzeitig die jeweiligen Arbeitgeber und deren Kunden nicht mit den zusätzlichen Kosten belasten.
Sie haben eingangs gesagt, dass im Moment mehr Fracht- und Logistikunternehmen insolvent gehen. Woran liegt das, wenn eigentlich die Nachfrage so groß ist?
Das hat natürlich auch etwas mit den wirtschaftlichen Bedingungen der letzten 24 Monate zu tun. Wir haben im Transportsektor viel zu viele Unternehmen mit einer sehr schwachen Eigenkapitalquote, das Ganze bei einer relativ schwachen Umsatzrendite. Die Zinsentwicklung der letzten beiden Jahre hat nun dazu geführt, dass die Finanzierungskosten in diesen Unternehmen signifikant angestiegen sind. Gepaart mit der hohen Inflation, stark gestiegenen Fahrerlöhnen und weiterer Kostensteigerungen sind diese Unternehmen in der Konsequenz in Schieflage geraten. Die Situation verschärft sich zunehmend. Ich kann mich nicht erinnern, dass uns jemals eine dermaßen große Anzahl von Unternehmen zum Kauf angeboten wurde, wie in den letzten zwölf Monaten. Es vergeht keine Woche, wo nicht ein Angebot eingeht, ein Unternehmen zu kaufen, das wirtschaftliche Probleme hat.
Wie reagiert die Wirtschaft auf die Situation am Transportmarkt im Moment?
Die Entwicklung ist hochinteressant. Dass Transport mittel- und langfristig ein knappes Gut sein wird, kommt immer mehr in das Bewusstsein der verladenden Wirtschaft. Wir erleben seit Ende letzten Jahres einen Trend, bei dem sich speziell große Verlader, für die der Transport ein elementarer Bestandteil der Wertschöpfung ist, langfristig Kapazitäten strategisch sichern. Kunden aus diesem Segment, die bisher mit uns auf der Basis von Ein- oder Zweijahresverträgen zusammengearbeitet haben, schließen nun Vereinbarungen mit sehr langen Laufzeiten ab. In dem Zuge werden feste Abnahmekontingente garantiert und auch wirtschaftliche Risiken des Spediteurs in einem hohen Maße abgesichert. Das ist keine Wohlfahrtsgeste an den Dienstleister, sondern dient dem eigenen Interesse des Verladers. Diese Strategieänderung zeigt ganz offen auf, wie die mittel- und langfristige Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen und stabil verfügbaren Transportressourcen von den Experten eingeschätzt wird.
Wie kommen wir aus der Situation wieder raus?
Märkte regulieren sich mit der Zeit immer von selbst. Natürlich werden bei steigenden Preisen dann auch wieder Kapazitäten nachgezogen, dieser Prozess findet aber wie immer erst zeitversetzt statt. Man muss sich aber auf jeden Fall diesen neuen Realitäten mit knappen Transportressourcen stellen und darauf vorbereiten, dass die Transportdienstleistung mit einem ganz anderen Wert durch den Markt gereicht werden wird. Das wird schon bald dazu führen, dass auch gewisse Perversionen morgen nicht mehr in dem Umfang eintreten werden, wie es bis heute der Fall ist. Dass etwa Rohware für die Endfertigung an Orte transportiert wird, weil dort der Mitarbeiter des Lieferanten zwei Euro weniger in der Stunde kostet. Höhere Transportkosten werden somit auch dazu führen, dass man sich verstärkt Lieferanten sucht, die im besten Fall aus der Region stammen. Auch, wenn der dann ein oder zwei Euro mehr in der Stunde verlangt. Das haben wir schon während der Pandemie erlebt, als vor allem die Preise für Containerimporte durch die Decke geschossen sind. Das hat kurzfristig dazu geführt, dass die betroffenen Unternehmen ihre Beschaffungsprozesse neu strukturiert haben. Auch werden sich Geschäftsmodelle verändern. Wir leben in einer Zeit von „heute bestellt und morgen geliefert“. Das wird sich der eine oder andere gut überlegen, wenn eine schnelle Lieferung teurer ist.