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Tobias Roppelt: Das bedeutet, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, sich am digitalen Leben zu beteiligen, unabhängig seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten. Und das ist heutzutage eben nicht allen Menschen möglich. Laut Statistik sind 7,8 Millionen Menschen in Deutschland schwerbehindert. Das sind 9,4 Prozent der Bevölkerung. Natürlich ist jetzt nicht jede schwerbehinderte Person darauf angewiesen, dass digitale Inhalte barrierefrei sind. Es gibt auch die Leute im Rollstuhl, die eher in der realen Welt auf Barrieren stoßen, als in der digitalen. In der digitalen Welt gibt es eher Barrieren, für etwa blinde oder taube Menschen oder für Menschen, die motorische Einschränkungen haben. Wer mal selbst auf digitalen Barrieren stoßen möchte, muss einfach eine Webseite seiner Wahl aufrufen und versuchen, diese ohne Maus zu bedienen. Man wird dabei relativ schnell feststellen, dass man auf einer Webseite nur mit der Tastatur nicht alles bedienen kann. Zum Beispiel lassen sich Ausklapp-Menüs sehr oft nicht mit der Tastatur öffnen. Das hindert dann eben Menschen, die aufgrund ihrer Beeinträchtigung keine Maus bedienen können, daran, an alle Informationen einer Webseite zu kommen.
Da gibt es seit etwa 1995 die sogenannten WCAG-Kriterien. Das sind die „Web Content Accessibility Guidelines“. Durch das kommende Barrierefreiheitsstärkungsgesetz wird die Privatwirtschaft verpflichtet, einen Großteil dieser Kriterien einzuhalten. Diese Kriterien schreiben zum Beispiel vor, dass die Bilder auf einer Webseite einen sogenannten Alternativtext beziehungsweise eine Textalternative brauchen. Das heißt, dass zum Beispiel in dem Bild per Code ein Text hinterlegt ist. Ein sogenannter Screenreader liest blinden Menschen dann den Alt-Text des Bildes vor. So können also auch blinde Menschen die Informationen verstehen, die das Bild vermitteln soll.
Genau, das verpflichtet die Privatwirtschaft dazu, barrierefrei zu sein. Das Gesetz an sich kümmert sich allerdings ausschließlich um Verbraucherverträge. Das bedeutet, dass nur Firmen betroffen sind, die im B2C-Bereich unterwegs sind. Firmen im B2B-Bereich sind nicht betroffen, weil dort keine Verbraucherverträge geschlossen werden. Außerdem gibt es auch eine Ausnahme für Kleinstunternehmen. Dazu zählen Unternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen und weniger als zwei Millionen Euro Umsatz machen. Wenn man eine der beiden Grenzen überschreitet, ist man vom Gesetz betroffen und muss seine Webseite barrierefrei machen. Es muss aber auch nicht jede Webseite barrierefrei werden. Das Gesetz bezieht sich nur auf den digitalen Geschäftsverkehr. Das bedeutet, wenn man eine reine Präsentations-Webseite hat, ist man nicht betroffen. Wer aber über seine Webseite Dinge verkauft oder es ermöglicht, Termine zu buchen, wie bei einem Friseur oder einem Restaurant, der muss diese Teile der Webseite barrierefrei machen.
Das ist eine heiße Diskussion. Die Interpretation des Gesetzes ist, dass nur der Vertriebsweg barrierefrei gemacht werden muss. In einem klassischen Onlineshop betrifft das die Startseite, die Kategorieseite, die Produktseite, den Warenkorb, den Checkout-Prozess und die AGB. Das ist das, was man eigentlich benötigt, um ein Produkt zu kaufen. Andere Sachen, wie einen informativen Blog oder eine Über-uns-Seite, müssten in der Theorie dann nicht barrierefrei gemacht werden. Allerdings gibt es hier die Argumentation, dass man Barrierefreiheit nicht nur wegen des Gesetzes machen sollte. Wie vorhin schon gesagt, betrifft es ja eine relativ große Gruppe von Menschen, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind. Zudem gibt es in der Barrierefreiheits-Szene auch die Aussage, dass Barrierefreiheit für zehn Prozent der Menschen unerlässlich, für 30 Prozent wichtig und für 100 Prozent hilfreich ist. Das kommt daher, dass es viele Dinge gibt, die man in der Barrierefreiheit macht, die für alle einen Mehrwert liefern und eine bessere User-Experience auf der Webseite schaffen. Zum Beispiel profitieren auch Menschen, die Farbsehschwäche haben, von der Barrierefreiheit, auch wenn sie natürlich nicht unter die Menschen mit Schwerbehinderung fallen. Trotzdem gibt es ein Kriterium in der WCAG, das besagt, dass man nicht alleine durch Farbe Inhalte vermitteln darf. Das alleine hilft rund zehn Prozent der Männer mit Rot-Grün-Schwäche sehr viel weiter, die etwa einen Fehler auf einer Webseite nicht erkennen, wenn es nur in Rot dargestellt wird.
Wie gesagt, kann man durch Barrierefreiheit seine Zielgruppe erweitern. Aber daneben kann es auch für das eigene Markenimage sehr hilfreich sein, digitale Barrierefreiheit ernst zu nehmen. Das soziale, gesellschaftliche Engagement von Unternehmen ist inzwischen ziemlich vielen Leuten wichtig, nicht nur den Konsumenten, sondern besonders auch jungen Arbeitnehmern. Ansonsten bringt Barrierefreiheit tatsächlich bewiesene Vorteile bei der Suchmaschinenoptimierung (SEO). Denn wenn Screenreader, die blinde Menschen nutzen, eine Seite besser lesen können, dann kann es auch ein SEO-Bot. Beide sind auf eine saubere und maschinenlesbare Webseiten-Struktur angewiesen und man hat somit Vorteile in beiden Bereichen. Meine persönliche Meinung ist: Für Menschen mit Behinderungen wird so wenig getan, besonders von Onlineshops und in Deutschland, dass man sich eine wahnsinnig loyale Zielgruppe aufbauen könnte. Dazu sollte man jetzt die Chance nutzen, wirklich dafür einzustehen und vielleicht auch etwas mehr zu machen, als gesetzlich gefordert wird. Man hat selten die Möglichkeit, eine solche große Gruppe von Menschen von der eigenen Marke zu überzeugen und sich als Lieblingsbrand für etwas zu positionieren. Ich glaube, wenn ein Unternehmen sich wirklich darauf einschießt, es ernst nimmt und es auch überzeugend nach außen kommuniziert, hat es extreme Vorteile für die eigene Marke.
Man sollte zuerst prüfen, was das benutzte System von sich selbst behauptet. Shop-Anbieter und andere Anbieter kommunizieren das zurzeit auch sehr gerne, wenn sie schon barrierefrei sind oder auf dem Weg dahin sind. Also da auf jeden Fall erst mal informieren. Shopify zum Beispiel ist eigentlich schon barrierefrei. Problematisch wird es dann, wenn Teile des Shops erweitert wurden. Da haben dann Leute oft selbst etwas programmiert, was die Barrierefreiheit schnell kaputt machen kann. Aber auch schon beim Einstellen der eigenen Farben kann es Probleme geben, wenn sie nicht die richtigen Kontraste einhalten und deswegen für Menschen mit Sehbehinderung nicht sichtbar sind. Am besten schaut man sich die WCAG-Kriterien mal im Detail an, um ein Gespür dafür zu bekommen, was jetzt wichtig wird, für das Design, den Aufbau und den Inhalt eines Shops oder einer Webseite.
Momentan ist nichts in Planung. Gesetze, die auf einer EU-Richtlinie basieren, haben auch meist eine lange Vorlaufzeit. Das heißt, selbst wenn ein Gesetz für B2B-Unternehmen kommen würde, hätte man auf jeden Fall noch eine ganze Weile Zeit. Wohingegen natürlich öffentliche Stellen schon seit sehr langem verpflichtet sind, barrierefrei zu sein.
Tobias Roppelt ist UI / UX Designer, Brand-Spezialist und hat die Gehirngerecht Digital GmbH gegründet. Er optimiert Webseiten und digitale Produkte, um die bestmögliche Nutzererfahrung zu schaffen. Sein Schwerpunkt ist die digitale Barrierefreiheit.