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Ellen Dinges-Dierig: „Wenn das Lohnabstandsgebot nicht mehr gilt, dann ist das Bürgergeld zu hoch“
Interview

Ellen Dinges-Dierig: „Wenn das Lohnabstandsgebot nicht mehr gilt, dann ist das Bürgergeld zu hoch“

Ellen Dinges-Dierig ist die Vorsitzende der IHK Regionalversammlung Augsburg-Stadt. Foto: IHK Schwaben
Ellen Dinges-Dierig ist die Vorsitzende der IHK Regionalversammlung Augsburg-Stadt. Foto: IHK Schwaben

Sie ist Fürsprecherin der Augsburger Start-up-Szene und Kritikerin des Bürgergelds. Ellen Dinges-Dierig vertritt ihre Positionen als wiedergewählte Vorsitzende der IHK Regionalversammlung Augsburg-Stadt. Um die derzeitige Wirtschaftskrise abzumildern, sieht sie die Politik in der Pflicht. Im Interview formuliert sie klare Forderungen, die den Unternehmern der Region helfen sollen.

B4BSCHWABEN.de: In Anbetracht der aktuellen wirtschaftlichen Lage müssten es einige Unternehmer allmählich mit der Angst zu tun bekommen. Haben Sie auch Angst? 

Ellen Dinges-Dierig: Angst ist das falsche Wort. Bezogen auf unser Unternehmen habe ich keine Angst. Natürlich stehen auch wir vor großen Herausforderungen, die wir anpacken müssen. Wir haben viel zu tun, müssen Konzepte neu denken, denn die wirtschaftliche Lage ist nicht einfach. Allerdings bereitet mir die aktuelle politische Entwicklung auf der Welt Sorgen. 

In der aktuellen Konjunkturumfrage der IHK Schwaben spielt die Stadt Augsburg eine Sonderrolle. Denn in allen schwäbischen Regionen kündigt der Index einen Abschwung an. Lediglich die Stadt Augsburg ist – aufgrund der hohen Dichte an Dienstleistungsunternehmen – noch im positiven Bereich. Wie beurteilen Sie die Lage für Ihr Unternehmen? 

Derzeit ist die Lage der Dierig Gruppe in Ordnung. Dennoch gehe ich davon aus, dass unser Ergebnis sich im Vergleich zum Vorjahr etwas verringern wird. Unsicherheiten bringen die Aussichten für das Jahr 2024. Dies zu planen ist schwierig. 

Apropos Planung: Ihr Unternehmen hat ein Grundstück im Stadtteil Pfersee, auf dem Wohnungen entstehen sollen. Derzeit sieht das aber ja nicht danach aus…

Direkt neben unserem Hauptsitz haben wir alte Lagerhallen abgerissen, die man nicht mehr anders verwenden konnte. Deshalb haben wir bereits vor vielen Jahren entschieden, dass wir hier Wohnraum schaffen möchten. Das braucht die Stadt und ist eine Diversifizierung für unser Immobiliengeschäft, dass bisher ausschließlich Gewerbeimmobilien vermietet. Geplant sind insgesamt 211 Wohneinheiten. Vor gut einem Jahr hätte der Bau starten sollen. Nun sind aber die Zinsen und die Baukosten derart angestiegen, dass das Projekt, wie es nach unserer Vorstellung aussehen soll, nicht rentabel ist. 

Sie fordern also – überspitzt gesagt – das Ende der Zinsen? 

Ganz und gar nicht. Natürlich können Zinssätze nicht immer bei rund einem Prozent bleiben. Aber die enorm gestiegenen Kosten für den Bau im Allgemeinen, sowie immer neue Vorschriften, die erfüllt werden müssen, haben uns schlussendlich in Kombination mit dem gestiegenen Zins dazu bewegt, das Projekt vorerst zu pausieren. 

Das klingt ganz danach, als würden die bürokratischen Hindernisse, die derzeit viele Unternehmen zusehends mehr belasten auch bei der Dierig Holding ankommen. Gibt es Punkte, die Sie als besonders herausfordernd empfinden? 

Da gibt es leider viele. Zum Beispiel das Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung. Natürlich ist es wichtig, dass auch Unternehmen auf das Klima achten. Aber die Details rund um die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung – inklusive der EU-Taxonomie – nehmen ein Ausmaß an, das bei kleineren Mittelständlern, wie wir einer sind, zu erheblichen Mehrbelastungen führt. Denn die Anforderungen sind für uns, den Mittelstand insgesamt, oftmals dieselben, wie für ein großes DAX-Unternehmen. Wir mussten dafür sogar eine neue Mitarbeiterin einstellen und damit sind wir nicht alleine. Es gibt diverse Unternehmen, die mehrere Mitarbeiter nur für diese eine Aufgabe, oder auch andere wie die REACH-Verordnung, einstellen mussten. 

Ich höre heraus, dass Ihr Unternehmen schon seit jeher nachhaltig agiert. Wo ist also das Problem, dies nun aufs Papier zu bringen? 

Lesen Sie sich etwas in die Nachhaltigkeits-Berichterstattung und der EU-Taxonomie mit ihrem Scope 1, Scope 2 und Scope 3 etc. ein. Dann wird Ihnen schnell klar: Wie soll ein Unternehmen diese Fülle an Details beispielsweise ermitteln oder dokumentieren?

Bürokratie gab es aber ja schon immer. Warum ist die Belastung jetzt höher?

Als Unternehmer bekommt man das Gefühl vermittelt, man müsse jetzt beweisen, dass man es richtig macht. Es wird also gar nicht mehr davon ausgegangen, dass sich Unternehmen korrekt verhalten. Teilweise werden Regeln aufgestellt, nur weil ein Unternehmen Mist gebaut hat. Das ist aber ungerecht gegenüber den vielen Unternehmen, die solide und regelkonform arbeiten. Daher würde ich gerne meine Beschäftigten für innovative Themen einsetzen, als damit die Bürokratie und die Überregulierung zu bewältigen. 

Trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten entwickelt sich die Gründerszene in Augsburg in den vergangenen Jahren positiv. Wie schätzen Sie diesen Trend ein? 

In einem Satz zusammengefasst: Ich finde es super, wenn man wagt zu gründen. Wir brauchen die Menschen, die gute Ideen haben und sich trauen diese anzupacken. Frische Ideen beflügeln unsere Region. Deshalb ist die Start-up Szene essenziell für Augsburg, für die ganze Region und unser Land. Was wir in dem Zusammenhang in Deutschland allerdings noch verbessern können, ist das Leben einer Fehlerkultur, das man auch scheitern darf. 

Start-ups bringen also kurz gesagt einen frischen Spirit in unser Arbeitsleben. Ebenfalls neu im Arbeitsleben ist das viel kritisierte Bürgergeld. Es steht im Ruf, die Schwelle zum Nicht-Arbeiten niedriger zu machen. Stimmen Sie dem zu? 

Ja, wenn das Bürgergeld so hoch ist, dass man mit ihm und ein bisschen Schwarzarbeit besser oder gleich fährt, als sich für einen geregelten Arbeitsplatz zu entscheiden. Wenn das Lohnabstandsgebot nicht mehr gilt, dann ist das Bürgergeld zu hoch. Leistung und Arbeit müssen sich lohnen – und, dass zu arbeiten in der Gesellschaft positiv besetzt ist. Nur so bekommen wir den Arbeitskräftemangel in den Griff.

Sie sind erst kürzlich in Ihrem Amt als Vorsitzende der IHK Regionalversammlung Augsburg-Stadt wiedergewählt worden. Damit haben Sie ja einen engen Draht zur Politik… 

Richtig, die IHK-Regionalversammlungen können im Dialog mit der Politik Dinge bewegen. Unsere Aufgabe ist es, wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen zu schaffen, den Standort zu sichern, Innovationen zu fördern und in den stetigen Austausch zu kommen. Nur wenn Wirtschaft und Politik konstruktiv zusammenarbeiten, haben unser Wohlstand, unsere Gesellschaft eine Zukunft.

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