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„Durch KI bekommen mehr Menschen die Möglichkeit, an der Arbeitswelt teilzuhaben“
Interview Teil 1

„Durch KI bekommen mehr Menschen die Möglichkeit, an der Arbeitswelt teilzuhaben“

Dr. Juliane Gottmann ist wissenschaftliche Geschäftsführerin des KI-Produktionsnetzwerks an der Uni Augsburg. Foto: B4B/ Katharina Seeburger
Dr. Juliane Gottmann ist wissenschaftliche Geschäftsführerin des KI-Produktionsnetzwerks an der Uni Augsburg. Foto: B4B/ Katharina Seeburger

Nimmt KI Arbeitsplätze weg? Dr. Juliane Gottmann, wissenschaftliche Geschäftsführerin des KI-Produktionsnetzwerks an der Uni Augsburg, erklärt im Interview, wie sie das sieht und wie Unternehmen KI in der Produktion nutzen können.

B4BSCHWABEN.de: Über Künstliche Intelligenz (KI) wird inzwischen sehr oft gesprochen, aber was ist das denn genau?

Dr. Juliane Gottmann: KI ist für mich ein System oder ein Algorithmus, das versucht, mit intelligentem Verhalten Aufgaben zu lösen, wofür ich normalerweise menschliche Intelligenz bräuchte. So ein Verhalten ist zum Beispiel das Wahrnehmen, wie die Sprach- und Bilderkennung. Dazu gehört aber auch Lernen – beim Menschen aus Erfahrung, bei KI aus Daten. Das wird auch „maschinelles Lernen“ genannt. Dann gibt es da noch die Themen Planen und Schlussfolgern oder die Interaktion mit Menschen – beispielsweise Chatbots oder Sprachassistenten.

Was kann man sich unter dem KI-Produktionsnetzwerk vorstellen, was macht ihr hier?

Das KI-Produktionsnetzwerk ist ein Zusammenschluss von vier Forschungseinrichtungen – wir von der Universität Augsburg, das Zentrum für Leichtbauproduktionstechnologie am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das Fraunhofer IGCV und die Technische Hochschule Augsburg. Wir wurden vom Freistaat Bayern beauftragt, Einsatzmöglichkeiten von KI in der Produktion zu erforschen und so schnell wie möglich in die Industrie zu bringen. Hier an der Universität Augsburg machen wir das vor allem in unserer Halle 43. Dort zeigen wir den Unternehmen, was mit KI möglich ist, wie wir zusammen mit den Unternehmen forschen und Themen bearbeiten können. Das KI-Produktionsnetzwerk versucht einerseits über Forschung, andererseits über Aus- und Weiterbildungsangebote und die Unterstützung von Ausgründungen so viel wie möglich an Wissen in die Unternehmen zu bringen, vor allem hier in der Region.

An welcher Art von Projekten forscht ihr und welche Bedeutung hat das für die Unternehmen in der Praxis?

Wir haben zum Beispiel im zerspanenden Bereich eine Anlage, bei der fortwährend überprüft wird, ob die Werkzeuge noch in Ordnung sind und welche Qualität die herzustellenden Werkstücke haben. Wir arbeiten mit viel Sensorik und generieren viele Daten, um möglichst viele Erkenntnisse über den Zustand des Werkzeugs und den des Werkstücks zu gewinnen. Mit diesen Daten können wir dann überprüfen: Wie geht es denn dem Werkzeug? Muss es gewechselt werden? Wie geht es der Anlage? Stichwort Predictive Maintenance. Also wo kann ich vorbeugend etwas am System verändern, um weiterhin gute Teile zu produzieren? Das ist das Ziel dahinter.

Die Computerized Numerical Control-Zelle besteht aus drei Anlagen aus dem zerspanenden Bereich und erfasst etwa, ob die Werkzeuge noch in Ordnung sind und welche Qualität die Werkstücke haben. Foto: Universität Augsburg/ Florian Fuchs
Die Computerized Numerical Control-Zelle besteht aus drei Anlagen aus dem zerspanenden Bereich und erfasst etwa, ob die Werkzeuge noch in Ordnung sind und welche Qualität die Werkstücke haben. Foto: Universität Augsburg/ Florian Fuchs

Die Unternehmen profitieren dann davon, dass sie weniger Ausschuss haben und früher erkennen, was im Prozess nicht mehr funktioniert?

Ganz genau. Die Unternehmen können viel länger gut produzieren, haben weniger Stillstände und, wie du sagst, weniger Ausschuss. Ausschuss bedeutet ja auch immer, dass ich da schon Energie und Arbeitskraft hineingesteckt habe, die dann im Prinzip verloren geht. Das kann ich durch KI vermeiden und so die Produktion effizienter und nachhaltiger gestalten.

Wer kann von eurer Forschung und Arbeit mit KI in der Produktion profitieren? Sind das besondere Branchen oder kann jedes Unternehmen mit euch zusammenarbeiten?

Wir sind branchenoffen. Für uns ist wichtig, dass es einen Bezug zur Produktion gibt. Dann kann eigentlich jeder mit uns zusammenarbeiten, egal ob das Unternehmen klein oder groß ist. Auch wenn es kein produzierendes Unternehmen ist, sondern ein Dienstleistungsunternehmen, das für produzierende Unternehmen arbeitet. Bei uns sind auch tatsächlich alle Branchen vertreten.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit euch ab?

Wenn Unternehmen noch ohne konkrete Frage zu uns kommen, zeigen wir ihnen erstmal, was wir hier machen und sprechen dann darüber, welche Themen sie in der Produktion haben und wo Handlungsfelder sein könnten. Viele Unternehmen kommen auch mit konkreten Problemstellungen, zum Beispiel, dass ein Prozess nicht so funktioniert, wie sie sich das vorstellen. Den wollen sie dann mit KI optimieren. In solchen Fällen prüfen wir, ob das Problem schon mal gelöst wurde und können dann die Verbindung zwischen den Unternehmen herstellen. Wenn nicht, suchen wir einen Fördergeber, mit dem wir ein gemeinsames Forschungsprojekt umsetzen können. Viele Unternehmen melden sich auch bei uns, weil sie ihre Mitarbeiter schulen wollen. Auch dafür haben wir hier tolle Formate: Ein KI-Zertifikat für Auszubildende in Zusammenarbeit mit der IHK Schwaben und der HWK Schwaben und auch ein Zertifikat für Ausbilder. Damit haben wir schon sehr vielen Unternehmen geholfen. Außerdem haben wir ein weiteres Zertifikat für Fachkräfte zum Thema Future Skills gestartet.

Was machen die Auszubildenden bei euren Kursen?

Wir wollen haptisches Lernen ermöglichen. Wir haben also einen vorbereitenden Online-Kurs, mit dem wir den Auszubildenden generelle Dinge über künstliche Intelligenz und Daten beibringen. Konkret: Wie müssen Daten aussehen, wie kann man Daten aufbereiten? Die Auszubildenden kommen dann auch für zwei Praxistage zu uns. Da machen sie erste Coding-Erfahrungen, dürfen selbst kleinere Modelle trainieren und setzen dann noch ein Projekt für ihr Unternehmen um.

Wie wird das angenommen?

Sehr gut. Wir haben sehr großen Zulauf und können kaum alle Anfragen abdecken. Das Feedback der Auszubildenden ist bisher sehr gut.

Das heißt, das Interesse der Unternehmen an KI ist sehr groß. Nimmst du da trotzdem noch eine Hemmschwelle wahr?

Die Hemmschwelle wird definitiv kleiner. Dennoch – es gibt aus den Belegschaften durchaus noch Vorbehalte. Einfach weil viele nicht so genau wissen, was KI macht und ob man ihr vertrauen kann. Im KI-Produktionsnetzwerk ist glücklicherweise auch die Fachrichtung Ethik sehr erfolgreich vertreten. Das heißt, wir arbeiten viel an der Frage, was die Menschen brauchen, damit sie sich im Umgang mit KI besser fühlen.

Eine Angst ist oft, dass KI Arbeitsplätze wegnimmt. Stimmt das?

Ich glaube, das muss man differenziert betrachten. Was KI kann, ist eintönige Arbeiten zu ersetzen und das ist gut. Beispielsweise im Bereich der Qualitätssicherung neigen Menschen dazu, irgendwann müde zu werden, wenn sie sich immer Bilder anschauen und erkennen müssen, wo der Fehler ist. Die KI wird nicht müde. Das gilt auch für körperlich anstrengende Arbeiten: Ein Roboter wird auch nicht müde. KI unterstützt uns also bei ganz vielen Prozessen maßgeblich an Stellen, an denen das für uns Menschen auch eine Hilfe ist. Es werden sich die einen oder anderen Tätigkeiten verändern. Aber auch da kann KI unterstützen, indem wir relativ komplexe Prozesse mit KI gut handhabbar machen können. Dann muss nicht jeder ein KI-Experte sein, der mit KI arbeitet. Ich glaube, dass die Chancen, die uns die KI in der Arbeitswelt gibt, überwiegen. Es werden sich Tätigkeiten wandeln und hoffentlich können wir dadurch auch mehr und neue Arbeitsplätze schaffen. Denn durch KI machen wir auch Tätigkeiten für Menschen wieder zugänglich, die vorher keinen Zugang dazu hatten. Wenn sie beispielsweise eingeschränkte körperliche oder geistige Fähigkeiten haben, kann die KI in Form von Robotern oder Exoskeletten die Menschen genau dabei unterstützen, wo sie es benötigen.

Sehr spannend. Das ist eine ganz andere Perspektive!

Absolut. Wir arbeiten am KI-Produktionsnetzwerk an und mit Cobots, die selbstständig erkennen, welche Schwierigkeiten der Mensch hat und wie sie ihn am besten unterstützen können. Dadurch bekommen wieder mehr Menschen die Möglichkeit, an der Arbeitswelt teilzuhaben. Das funktioniert auch bei Menschen, die vorübergehend verletzt, krank oder weniger leistungsfähig sind. Das ist schon ziemlich cool. Ja, da wird sich in der Arbeitswelt einiges an Bedarfen verändern. Aber die Möglichkeiten als Arbeitnehmer werden auch wieder größer, weil man von KI in den verschiedensten Formen mehr Unterstützung erhält.

Im zweiten Teil des Interviews erklärt Gottmann, wie KI die Erfahrung langjähriger Mitarbeitender sichern und welche Rolle Deutschland bei KI noch spielen kann.

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