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Interview: „Eine hohe Akademikerquote ist noch kein Beleg für ein erfolgreiches Bildungssystem“
Dipl.-Ing. H. Bendl GmbH & Co. KG

Interview: „Eine hohe Akademikerquote ist noch kein Beleg für ein erfolgreiches Bildungssystem“

Tobias Keck, Geschäftsführer bei bendl. Foto: Dipl.-Ing. H. Bendl GmbH & Co. KG
Tobias Keck, Geschäftsführer bei bendl. Foto: Dipl.-Ing. H. Bendl GmbH & Co. KG

Heute, am 1. September, beginnt das neue Ausbildungsjahr in Schwaben. Tobias Keck, Geschäftsführer von bendl, erklärt, warum es noch immer zu viele gesellschaftliche Vorurteile gegenüber dem Handwerk gibt und wie diese der Wirtschaft und dem Nachwuchs schaden.

B4B WIRTSCHAFTSLEBEN SCHWABEN: Herr Keck, bildet bendl in diesem Jahr aus?

Tobias Keck: Ja, wir bilden einen Beton-und Stahlbetonbauer sowie zwei Maurer aus. Im kaufmännischen Bereich können wir dieses Jahr keinen Ausbildungsplatz anbieten, da dieser seit letztem Jahr besetzt ist und wir ihn nur alle drei Jahre anbieten. Zurzeit haben wir hier eine Azubine für den Ausbildungsberuf Kauffrau für Bürokommunikation.

Auf der Suche nach Nachwuchskräften: Welche Wege sind am effektivsten?

Wir bemühen uns schon frühzeitig um die Azubis. Deshalb beginnt unser Engagement bereits an den Schulen. Wir besuchen die so genannten Azubitage an unseren regionalen Mittelschulen. An diesen halten wir auch Vorträge wie zum Beispiel aktuell zum Thema „Gesellschaftlicher Imagewandel für handwerkliche Berufe“ und bieten Praktika an. Desweiteren nehmen wir an der jährlichen IBS Informationsbörse Schule der Berufsschule in Günzburg teil.

Stichwort Fachkräftemangel: Das Problem an sich ist bekannt, doch wie schlimm ist die Lage zurzeit wirklich?

Ich erachte die Lage als extrem angespannt. Wie von Ihnen erwähnt, ist das Problem allseits bekannt und in den Medien allgegenwärtig. Wir sind jedoch der Meinung, dass all das Jammern und Klagen das Problem nicht lösen wird. Deshalb engagieren wir uns sehr stark bei diesem Thema. Die aktuelle Besetzung unserer gewerblichen Lehrstellen bereits im Oktober letzten Jahres hat gezeigt, dass sich dieses Engagement lohnt und jeder Mühe wert ist. Obwohl wir nur zwei gewerbliche Stellen besetzen wollten, hatten wir so viele Bewerbungen, dass wir sogar drei Bewerbern einen Ausbildungsplatz zur Verfügung stellen konnten, die diese Berufe unbedingt erlernen wollten.

Worin sehen Sie die Gründe für den Fachkräftemangel?

Das größte Problem stellt für mich der aktuelle „Akademisierungswahn“ dar. Die Politik, aber auch die Gesellschaft, muss erkennen, dass der Fachkräftemangel vor allem ein Mangel an beruflich Qualifizierten ist. Beide müssen aufhören, Akademiker über Facharbeiter und Meister zu stellen. Dies scheint für mich aber aktuell nicht der Fall zu sein. Es gibt immer noch zu viele gesellschaftliche Vorurteile gegenüber dem Handwerk. Doch eine hohe Akademikerquote ist noch kein Beleg für ein erfolgreiches Bildungssystem.

Viele Eltern meinen auch nach wie vor, dass ihre Kinder nur durch ein Abitur, einen Hochschulabschluss und ein damit verbundenes Studium eine bessere Zukunftsperspektive haben. Wir sind der Meinung, dass diese Denke zum größten Teil genau das Gegenteil bewirken wird. Wenn einst Schüler sagten, sie wollten Maurer werden, hielten die Eltern das für einen soliden Berufswunsch. Heute hingegen schlagen sie die Hände über dem Kopf zusammen: Das Kind sollte gefälligst Abitur machen, studieren und dann als Akademiker gut verdienen. Dass ein Studienabschluss jedoch nicht unbedingt beste Job-Chancen und schon gar nicht die Gewähr auf ein gutes Einkommen bietet, hat sich noch nicht herumgesprochen.

Deshalb versuchen wir das Image und die guten Möglichkeiten handwerklicher Berufe, vor allem auch am Beispiel unserer Erfahrungen in der Baubranche, bereits Schülern bei der Berufsfindung nahe zu bringen. Wir sind der festen Überzeugung, dass der Spruch: „Handwerk hat Goldenen Boden“ an seiner Aktualität nichts verloren hat.

Welche Probleme sehen Sie diesbezüglich in der Zukunft noch auf Ihr Unternehmen zukommen?

Wir müssen es schaffen, Schülern und Jugendlichen, aber vor allem auch den Eltern zu vermitteln, dass das Erlernen eines soliden Handwerksberufs beste Zukunftschancen bietet. Dies gilt sowohl gesellschaftlich als auch finanziell. Eltern sollte es vor allem wichtig sein, dass der Nachwuchs glücklich ist und einen Beruf wählt, der ihm Spaß macht und der auch ein vernünftiges Einkommen sichert.

Unternehmen konkurrieren untereinander immer stärker um Azubis. Wie geht bendl diesen Kampf an?

Sich nur durch eine beispielsweise höhere Vergütung von unseren Wettbewerbern abzuheben, wäre mir zu einfach. Ich vertrete den Standpunkt, dass Menschen generell neben einer angemessenen Vergütung auch Wertschätzung und Anerkennung fordern. Diesem Anspruch stellen wir uns in unserem Unternehmen jedem Tag aufs Neue.

Unsere Auszubildenden bekommen beispielsweise ihre Arbeitskleidung von uns gestellt. Zudem bieten wir einen Hol- und Bringservice für die gewerblichen Azubis an. Desweiteren werden sie für den Besuch von Weiterbildungsmaßnahmen freigestellt. Kürzlich haben wir auch einen Azubi-Stammtisch gegründet. Hier treffen wir uns alle vier bis sechs Wochen in lockerer Runde zum Austausch mit unseren Auszubildenden.

Wenn Sie sich den Ausbildungsmarkt ansehen: Was wünschen Sie sich für bendl, für die Branche, für Schwaben?

Für unser Unternehmen wünsche ich mir, dass das es uns weiterhin gelingt, unsere Fach- und Nachwuchskräfte von morgen und übermorgen selbst auszubilden, um sie danach in Festanstellung bei uns weiter beschäftigen zu können. Was die Branche betrifft, würde ich mir mehr Mitstreiter zum Thema „Gesellschaftlicher Imagewandel für handwerkliche Berufe“ wünschen. Beim Stichwort Schwaben fallen mir spontan die Handwerkskammer und die IHK ein. Auch diese Institutionen können mit ihren Möglichkeiten einen entscheidenden Beitrag beim Thema Fachkräftemangel in der Zusammenarbeit mit den Betrieben leisten.

Das Interview führte Rebecca Weingarten

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