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Interview mit Insolvenzverwalter: Droht der deutschen Wirtschaft eine Pleitewelle?
Dr. Alexander Zarzitzky

Interview mit Insolvenzverwalter: Droht der deutschen Wirtschaft eine Pleitewelle?

Dr. Alexander Zarzitzky von Anchor Rechtsanwälte. Foto: Anchor Rechtsanwälte
Dr. Alexander Zarzitzky von Anchor Rechtsanwälte. Foto: Anchor Rechtsanwälte

In Deutschland steigt die Zahl der Firmenpleiten. Droht nun doch eine Pleitewelle? Welche Branchen in Bayerisch-Schwaben besonders betroffen sind und wieso die Lage so angespannt ist, erklärt Insolvenzexperte Dr. Alexander Zarzitzky im Interview.

B4BSCHWABEN.de: Laut dem monatlichen Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung (IWH) sind im Juli 1.406 Unternehmen insolvent geworden. Damit liegen die Zahlen so hoch wie seit etwa zehn Jahren nicht mehr und übersteigen somit auch den jüngsten Spitzenwert aus dem April 2024. Was sind die Gründe dafür? Und kommt eine Insolvenzwelle auf uns zu?

Dr. Alexander Zarzitzky: Es kommt bei der Beurteilung der aktuellen Lage auf den Betrachtungszeitraum an. Einerseits liegen die für das Gesamtjahr zu erwartenden Fallzahlen von rund 22.000 Insovlenzen inzwischen auch über dem Niveau vor der Corona-Pandemie – andererseits ist dieses Niveau noch weit von den Rekordzahlen zum Anfang des Jahrtausends (>30.000 Fälle) entfernt.

Nach Einschätzung der Creditreform geht es aber sowohl bei den offenen Forderungen der Gläubiger als auch bei den betroffenen Arbeitsplätzen steil nach oben. Gerade Insolvenzen von Großunternehmen haben erhebliche Auswirkungen auf andere Unternehmen, die sich mit ihnen in Geschäftsbeziehungen befinden. Die heutigen Insolvenzverfahren richten laut Creditreform erheblich mehr Schäden an als noch in den Jahren der Finanzkrise. Insgesamt ist die Lage also über nahezu alle Branchen stark angespannt.

Spielen Standortnachteile wie Fachkräftemangel und Bürokratie auch eine Rolle?

Die Kette an schlechten Nachrichten zur deutschen Wirtschaft reißt leider nicht ab. Steigende Preise, fragile Lieferketten, zunehmende globale Konflikte, Fachkräftemangel und scharfe Konkurrenz aus dem Ausland: Die Rahmenbedingungen sind schon seit einigen Jahren nicht einfach. Gerade erst haben die fünf Wirtschaftsweisen in ihrem Herbstgutachten ihre Wachstumsprognose aus dem Frühjahr gekappt. Die angespannte Lage – gepaart mit unsicheren Aussichten – erschwert eine verlässliche Unternehmensplanung, verhindert Investitionen und bremst die Erträge. All diese Faktoren machen den Unternehmen die Arbeit schwer. Hinzukommen aber spezielle deutsche Faktoren, wie vergleichsweise hohe Energiekosten, überbordende Bürokratie und die Sprunghaftigkeit bei politischen Entscheidungen.

Welche Branchen sind besonders von Insolvenzen betroffen und warum?

Wenn ich ehrlich bin, dann gibt es kaum Ausnahmen. Besonders kritisch ist die Lage aber im Automobilsektor wegen des laufenden Strukturwandels, im stationären Handel wegen der Kaufzurückhaltung, im Bau- und Immobilienbereich wegen der gestiegenen Zinsen sowie im Gesundheitssektor wegen der schwierigen gesetzlichen Regelungen. Hier im Großraum Schwaben liegen nach meiner Erfahrung die Schwerpunkte im Bereich stationärer Einzelhandel, Logistik und in der Baubranche.

Eine der besonders betroffenen Branche ist die Baubranche, obwohl diese in den letzten Jahren geboomt hat. Wie kann das sein?

Die Baubranche – insbesondere der Wohnungsbau – erlebt gerade einen perfekten Sturm. Die gestiegenen Leitzinsen verteuern die Finanzierung von Bauprojekten erheblich. Gleichzeitig hat die Inflation der letzten Jahre die Kosten für Baumaterialien explodieren lassen. Und schließlich führt die aktuelle Krisenstimmung dazu, dass sich Bürger nicht zum Bau eines Hauses entschließen. Der frühere Boom der Baubranche war vor allem auf die geringen Finanzierungskosten zurückzuführen.

Wie werden sich die Insolvenzen in den kommenden Monaten entwickeln?

Die Vorzeichen sind meiner Meinung nach eher schlecht. Der weiter andauernde Ukraine-Krieg, der Konflikt im Nahen Osten und der schwelende Konflikt zwischen Taiwan und China sorgen für anhaltende Unsicherheit in der Wirtschaft. Hoffnung gibt es durch das langsam sinkende Zinsniveau – denn das macht Investitionen preiswerter.

Nun gibt es für Unternehmen auch die Möglichkeit, sich in Eigenverwaltung zu sanieren. Welche Kriterien muss ein Unternehmer erfüllen, um noch eine 2. Chance zu bekommen?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens. Dazu gehören das klassische Verfahren sowie die Eigenverwaltung und das Schutzschirmverfahren. Seit fast zwei Jahren besteht zusätzlich noch die Möglichkeit eines sogenannten StaRUG-Verfahrens, um eine Sanierung vor einem Insolvenzantrag zu ermöglichen. Es muss bei jedem Unternehmen individuell entschieden werden, welches der Restrukturierungsverfahren die besten Aussichten auf einen Erfolg hat und wie die berechtigten Ansprüche der Gläubiger am besten erfüllt werden können.

Globale Krisen, schlechte Konjunkturaussichten und hohe Zinsen machen Sanierungen und Investitionen in angeschlagene Unternehmen zunehmend unattraktiv. Stimmt es, dass die Chancen auf eine erfolgreiche Sanierung schlechter geworden sind?

Das wesentliche Problem besteht in den allgemein schlechten wirtschaftlichen Bedingungen und den unverändert unsicheren konjunkturellen Aussichten. In einer solchen Lage sind nur wenige Investoren bereit, ein angeschlagenes Unternehmen zu übernehmen. Die Sanierung wird dadurch ungleich schwieriger – zumal in einem Insolvenzverfahren die Zeit ein kritischer Faktor ist. Die Suche nach einem Käufer darf also nicht zu lang dauern.

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