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B4BSCHWABEN.de: Ab Januar steigt der Mindestlohn um 1,08 Euro auf 13,90 Euro. Ein Jahr später auf 14,60 Euro. Halten Sie die Erhöhung für angemessen – oder geht sie Ihrer Meinung nach zu weit bzw. nicht weit genug?
Christoph Domberger: Ich halte die Erhöhung des Mindestlohns für nicht sinnvoll. Die unteren Einkommensschichten brauchen unterm Strich mehr Geld, das lässt sich anders jedoch nachhaltiger lösen. Ich sehe das auch bei uns in der Belegschaft: Wir haben viele Quereinsteiger, die zunächst als Hilfsarbeiter im Einsatz sind. Zwar bezahlen wir auch diese aktuell über dem Mindestlohn, dennoch ist es nicht einfach, mit dem Verdienst eine Wohnung im Stadtgebiet zu finanzieren. Die Erhöhung des Mindestlohns liefert sicherlich kurzzeitig Abhilfe. Sie führt aber auch zu einem deutlichen Anstieg der Arbeitskosten für uns als Arbeitgeber und zu einem Spiraleffekt aller Lohngruppen nach oben. Wenn eine Hilfskraft ab Januar 13,90 € verdient, dann erwartet die ausgebildete oder weitergebildete Fachkraft entsprechend auch einen höheren Lohn, denn der Abstand zur Hilfskraft schmilzt ab. Das gesamte Lohn- und Gehaltsgefüge bewegt sich dadurch nach oben und erhöht deutlich die Arbeitskosten. Da die wenigsten Unternehmen diese einfach auffangen können, müssen Wege gefunden werden die Effizienz zu erhöhen oder höhere Preise durchgesetzt werden. Das klappt jedoch beides nicht von heute auf Morgen. Der im kommenden Jahr doch sehr deutliche Anstieg im Mindestlohn stellt uns als Arbeitgeber daher vor große Herausforderungen.
Ein Argument ist, dass durch einen höheren Mindestlohn die Konjunktur angekurbelt wird. Weil die Menschen dann wieder mehr Geld zur Verfügung haben und mehr ausgeben können.
Das sehe ich nicht so. Ein höherer Mindestlohn wird unvermeidlich zu einem höheren Preisniveau führen, welches den kurzfristigen Anstieg der Kaufkraft wieder egalisiert. Wir haben also dadurch nur kurzfristige Effekte, auf Kosten der Rentabilität der Unternehmen. Diese Effekte heben sich nach einer gewissen Zeit wieder auf – bis die Unternehmen höhere Preise durchsetzen können. Die Mindestlohnerhöhung ist deshalb aus meiner Sicht alleinstehend keine nachhaltige Maßnahme, um die finanzielle Situation der unteren Einkommensschichten zu verbessern.
Welche anderen Lösungen als eine Mindestlohnerhöhung sehen Sie?
Ich denke, es braucht eine Entlastung auf der Abgabenseite, damit gerade bei den unteren Einkommensschichten vom Brutto mehr Netto bleibt. Weiterqualifizierungen müssen sich weiterhin lohnen. Wenn jemand als Hilfsarbeiter 13,90 Euro die Stunde bekommt und jemand, der eine Ausbildung gemacht hat, nur etwas mehr, dann fragt der Ausgebildete sich auch: „Warum habe ich die Ausbildung gemacht? Warum habe ich drei Jahre lang als Auszubildender deutlich weniger bekommen, dafür dass ich jetzt nur geringfügig mehr verdiene?“ Es muss sich finanziell lohnen, sich weiterzuqualifizieren und mehr Verantwortung zu übernehmen.
Erwarten Sie, dass der höhere Mindestlohn den Fachkräftemangel verschärft?
Ich habe den Eindruck, dass es weniger Anreize gibt, sich weiterzuqualifizieren. Wenn ich als Mitarbeitender auch ohne Qualifizierung gut auskommen kann, habe ich nicht unbedingt die Motivation mich weiterzuentwickeln. Besonders dann, wenn das Einkommen der Fachkraft nicht deutlich über dem der Hilfskraft liegt. Auf der anderen Seite: Wenn Hilfsarbeit zu teuer wird, treibt das Automatisierungs- bzw. Digitalisierungsbestrebungen an, da diese finanziell attraktiver werden. So ist z.B. der Einsatz von KI-Tools für den telefonischen Kundenservice schon jetzt häufig die effizientere Variante. Eine Ausbildung oder Weiterqualifizierung wird dann wieder relevanter, um einen Arbeitsplatz zu finden.
Was bedeutet es für Ihr Unternehmen, dass der Mindestlohn erhöht wird?
Wir werden unsere Löhne anpassen müssen, obwohl bei uns bis auf die Auszubildenden alle über dem Mindestlohn verdienen. Das bedeutet auf der anderen Seite aber, dass wir versuchen müssen, unsere Preise zu erhöhen. Aktuell machen wir jedoch die Erfahrung, dass die Zahlungsbereitschaft für Logistikdienstleistungen eher zurückgeht. Daher wird es für uns eine Herausforderung, im kommenden Jahr kostendeckend zu arbeiten.
Wir bilden seit vielen Jahren aus. In den Bewerbungsgesprächen kam immer wieder das Thema auf, dass die Bewerber möglichst gleich auf eigenen Beinen stehen wollen. Mit einem klassischen Ausbildungsgehalt funktioniert das hier in Augsburg-Stadt nicht. Viele denken daher darüber nach, einen Quereinstieg als Hilfskraft einer Ausbildung vorzuziehen. Denn mit Mindestlohn verdient man mehr als mit der tariflichen Ausbildungsvergütung. Das ist nicht nur bei uns im Berufsbild so, sondern eigentlich fast überall. Deswegen haben wir dann gesagt: „Macht ihr die Ausbildung und habt danach was in der Hand. Wir haben besser qualifizierte Mitarbeiter und gleichzeitig verdient ihr während der Ausbildung so viel, dass ihr hier im Stadtgebiet leben könnt.“ Dadurch bekommen wir wieder mehr Bewerbungen und auch mehr Auszubildende.
Es ist klar, dass man als Auszubildender weniger verdient als eine Fachkraft. Denn man lernt ja noch. Aber zeigt das nicht auch, dass branchenübergreifend die Ausbildungsvergütungen schon lange viel zu niedrig waren?
Ja, ich glaube schon. Man muss einfach sehen, dass es früher anders war. Da hat man als Auszubildender durchweg noch bei seinen Eltern gewohnt, bis man fertig war. Aber die jüngeren Leute wollen früher auf ihren eigenen Beinen stehen. Dadurch haben wir eine Erhöhung als notwendig gesehen. Die geringen Ausbildungsvergütungen sind nicht mehr zeitgemäß. Ein Auszubildender kann meist nicht weniger als eine Hilfskraft und sollte daher auch ähnlich vergütet werden.
Welche Auswirkungen erwarten Sie für kleine und mittlere Unternehmen durch die Erhöhung des Mindestlohns?
Als KMU tun wir uns meiner Meinung nach schwerer als größere Unternehmen. Die Mehrkosten steigen mit dem Mindestlohn unverhältnismäßig, aufgrund der Personalnebenkosten als Multiplikator. Als kleines oder mittelständisches Unternehmen hat man weniger Stellschrauben und auch häufig nicht die Manpower für eine schnelle Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben, über die man Kosten senken könnte. Gleichzeitig ist es je nach Branche, in der aktuellen wirtschaftlichen Situation, schwer, höhere Preise durchzusetzen.
Was wäre aus Ihrer Sicht ein kluger oder guter Weg, faire Löhne, aber auch wirtschaftliche Stabilität miteinander in Einklang zu bringen?
Ich bin generell für einen Mindestlohn. Dieser setzt einen klaren Rahmen nach unten. Faire Löhne haben wir aber dann, wenn man zum einen mit seiner Arbeitsleistung den Lebensunterhalt finanzieren kann. Zum anderen müssen Löhne aber so gestaltet sein, dass es nicht zu einer Erhöhung des Preisniveaus führt. Das kann man aus meiner Sicht nur durch eine Anpassung auf Abgabenseite machen, damit die unteren Einkommensschichten im Verhältnis weniger in die Töpfe einzahlen, sodass ihnen unterm Strich mehr übrigbleibt. Dann haben wir auf der Unternehmensseite keine entsprechenden Kostenwirkungen und gleichzeitig eine größere Wirkung bei den Mitarbeitenden. Faire Löhne beinhalten auch, dass Qualifikation und das Tragen von Verantwortung entsprechend attraktiv sind. Löhne müssen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber fair sein. Arbeit muss sich lohnen. Unternehmertum muss sich auch lohnen.
Welche Rolle spielen hier Gewerkschaften?
Ich will kein Bashing betreiben, aber ich habe den Eindruck, dass bei den Arbeitnehmern teilweise unrealistische Erwartungshaltungen geweckt werden, die ein Mittelständler oder ein Kleinunternehmen niemals erfüllen kann. Wenn Gewerkschaften eine Lohnerhöhung von zehn Prozent fordern, tun wir als Mittelstand uns einfach schwer, hier mitzugehen. Wir bekommen das nicht umgesetzt, wir können das nicht finanzieren. Irgendwo muss man auch bei der Realität bleiben. Und da kommen wir wieder zum Thema Weiterbildung: Wenn ich wenig Verantwortung übernehmen will, wenn ich mich nicht weiterbilden will, dann kann ich mir einfach auch nicht alles leisten.