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Per definitionem ist diese spezielle Marketing-Disziplin integraler Bestandteil der „gefühlsbezogenen Werbung“, welche unmittelbar und ohne Rücksicht auf Verluste, negative Emotionen beim Betrachter auslösen möchte. Und ganz unter uns, Wut und Ärger sind mitunter die ehrlichsten Gefühle, die Menschen bewegen. Wenn jedoch verhindert werden soll, dass in Zusammenhang mit schockierenden Werbemaßnahmen jedes Mal der Werberat auf der Matte steht, ist es entscheidend, die richtige Dosierung von Schreckenspotential zu finden.
Kommunikation darf beziehungsweise soll sogar in manchen Fällen polarisieren. Doch wie bei Allem: zu viel schadet und kann die Zielgruppe – im wahrsten Sinne des Wortes – verschrecken. Während der strategischen Ausrichtung einer „Schocker-Kampagne“ muss daher zwingend darauf geachtet werden, dass die angestrebte Botschaft durch die Provokation ausgelösten Reize nicht untergeht und bei aller Effekthascherei sinnvoll kommuniziert wird. Und genau hier beginnt der schmale Grat: Schockwerbung setzt bewusst auf Themen, die sonst in „klassischen“ Marketingmaßnahmen nicht stattfinden: Rassismus, Aids und Kriege sind hier quasi an der Tagesordnung – und das ist gut so. Laut, direkt und überraschend soll sie sein, aber immer mit dem gewissen Maß an Spitzfindigkeit, sodass der bewusst gewählte Trapezakt in einer Zeit, die von Cancel Culture und Shitstorms bestimmt wird, gelingt. Doch könnte das Risiko, das unter Miteinbeziehung von schwarzem Humor, Provokation und Diskriminierung vorherrscht gar Kalkül sein? Und wie viel Horror darf in Werbung tatsächlich stecken, ohne den vermeintlich sicheren Deckmantel der Satire zu verlassen?
Unkonventionelle Marketingmaßnahmen schaffen es zwar selten für ausnahmslos positive Resonanzen zu sorgen, allerdings ist das bei Schockwerbungen auch nicht der Anspruch. Hiermit soll vor allem Bewusstsein für Negatives in der Welt geschaffen werden und durch die hohe Eigenständigkeit zu einer starken Werbeerinnerung im Relevant Set des Betrachters führen. Die provokante Grundausrichtung, die regelmäßig mit Moralvorstellungen Seilspringen spielt, steht häufig in der Kritik, da trotz dem hochgehaltenem „Satireschild“ Gefühle verletzt oder Traumata getriggert werden können. Nichtsdestotrotz erzeugt diese Kampagnenausrichtung eine unübertroffene Differenzierbarkeit und besitzt mitunter eine signifikante Chance, Veränderungen in der Bevölkerung anzustoßen.
Nachfolgend haben wir ein paar bildgewaltige Beispiele im Gepäck, die mal mehr mal weniger erfolgreich die gewünschten Reaktionen bei den jeweiligen Zielgruppen auslösen.
Das Paradebeispiel einer gutgemeinten Richtlinie, die leider das Ziel verfehlt: Die Rede ist von den Schockbildern auf Zigarettenschachteln. Denn die abgedruckten krankhaften Lungen, Beine und nachhaltigen Gesundheitsschäden sollen davon abhalten, zu rauchen. Der Effekt „verraucht“ dabei jedoch erschreckend schnell. Das menschliche Gehirn filtert nämlich instinktiv diese inflationär eingesetzten Bilder und blendet diese – ähnlich wie unsere eigene Nase im Sichtfeld – aus, weshalb eine unmittelbare Wirkung eher kurzfristig zu sehen ist und die Maßnahme bei manchen Rauchenden sogar zu Belustigung führt.
Frei nach der Spider Murphy Gang: Seit über 50 Jahren ist die Fashion-Brand regelmäßig mit aufsehenerregenden Kampagnen in aller Munde. Denn während sich die meisten Marken auf ein lupenreines Image konzentrieren, polarisiert der Textilhersteller bewusst mit unvergessenen Motiven, wie unter anderem Magersüchtigen oder sich küssenden Politikern, wobei auch unsere Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht fehlen durfte. „Skandalös“, „zynisch, schamlos und grässlich“ sind hier nur zwei der vielen Reaktionen auf den wandelnden kalkulierten Skandal mit dem Namen United Colors of Benetton. Ein Problem? Mitnichten.
Als Teil der Promophase des Horrorspiels „Resident Evil 6“ machten es sich die Capcom-Entwickler zur Aufgabe mitsamt hauseigener Menschen-Fleischerei in London Gliedmaßen und andere Spezialitäten des menschlichen Körpers an die Frau und an den Mann zu bringen – und das ohne Rücksicht auf Verluste. Die für viele als wortwörtlich „geschmacklos“ abgestempelte PR-Aktion, die politisch korrekt auch vegetarische Varianten auf der Speisekarte anbot, schaffte es binnen kürzester Zeit viral zu gehen. Sehr zu Freude der „eingefleischten“ Fans und der Limbless Association – einer gemeinnützigen Organisation – wohin sämtliche Einnahmen gespendet wurden.
Schockwerbungen sind definitiv nichts für schwache Nerven und mit größter Vorsicht zu genießen, weshalb stets ein Auge auf die vorab einzukalkulierenden Nebenwirkungen geworfen werden muss. Auch sollte unter der Berücksichtigung sämtlicher Indikatoren zwischen Bekanntheit und Relevanz abgewogen werden. Schlägt eine Marketingmaßnahme nämlich enorme Wellen, bedeutet dies nicht gleichermaßen, dass diese letztendlich auch erfolgreich ist, wie das Beispiel „Ehrenpflegas“ demonstriert: Die fiktive Miniserie der Bundesregierung wollte den Berufsalltag von Pflegefachkräften mit Schauspielern aufzeigen und schaffte es dabei die echten Arbeitnehmer vor den Kopf zu stoßen, abzuwerten und den Beruf ohne Realitätsbezug darzustellen. Wer mehr Conversions und mehr Akzeptanz erwartet, ist vermutlich besser beraten, einen „softeren“ und zielgruppenorientierteren Ansatz zu verfolgen und weniger einen, der darauf ausgelegt ist, maximal zu polarisieren. Denn die angebliche kommunikative Grundregel „Jede PR ist gute PR“ ist einfach falsch.
Wer Reichweite um jeden Preis – ganz gleich ob Gefühle verletzt oder tagesaktuelle kritische Themen durch den Kakao gezogen werden müssen – schaffen möchte, wird feststellen, dass hier das Zitat des Marvel Bösewichts Thanos sehr treffend werden kann: „What did it cost?“ „Everything.“ Mit derartigen Reaktionen musste auch der Carsharing-Dienst Sixt im Jahre 2018 Bekanntschaft machen, als der vermeintlich lustige Twitter-Post mit einem ironischen und viel schwarzem Humor aufgeladenen Aufkleber für rücksichtslose Autofahrer viral, aber in den Augen der Mehrheit viel zu weit ging. Dieses Beispiel zeigt, dass selbst eine etablierte Marke, die kommunikativ absolut in der ersten Liga spielt, nicht unfehlbar und somit folglich auch vor Kritik nicht gefeit ist. Wie eingangs erwähnt sollten Werbetreibende deshalb grundlegend darauf achten, dass Shockvertising-Maßnahmen dosiert und wenn keinen falls inflationär eingesetzt werden, um auf lange Sicht nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Punktuelle Aufhänger, authentisch, ungeschönt und zielgenau eingesetzt, können jedoch die Differenzierung zum Wettbewerb fördern, Abwechslung in die Markenkommunikation bringen, kognitive Reize ansprechen und für positive Aufmerksamkeit sorgen.
Ein kleines Gedankenspiel gefällig? Eine Bundeswehr-Kampagne, die ausnahmsweise Mal nicht auf coole, gespielte Einblicke hinter den Kulissen des Hindernisparcours setzt oder sich ausschließlich auf die zahlreichen Berufsfelder neben dem Schlachtfeld dreht, um bei der Jugend anzukommen, sondern mit Realaufnahmen aus vergangenen Kriegen um die Ecke kommt und wirklich das zeigt, was einen an der Front erwarten kann. Also keine Schönfärberei, sondern ein Aufruf, mit einer bewussten Entscheidung Verantwortung zu übernehmen und für demokratische Werte einzustehen und diese im Kriegsfall auch zu verteidigen.
Oder der Imagespot „Runter vom Gas“ der Cosmosdirect aus dem Jahr 2017, der nicht dramatisch vor dem bevorstehenden Autounfall auf Schwarz-Vollbild ausfaded, sondern den Zuschauer bis zum Aufprall mitnimmt. Ist diese Art Kommunikation schwierig? Vermutlich. Ist sie dramatisch? Sicherlich. Wird sie polarisieren? Auf jeden Fall. Dennoch müssen sich Marken auch bei Schockwerbung an gewisse Spiel- bzw. Werberegeln halten. Provozieren nur des Provozierens Willens darf kein Grundsatz sein.
Marco Trutter, Brandexperte aus Augsburg, beleuchtet im Rahmen der B4B-Rubrik „trumedia Brand Lab“ regelmäßig die Marketingbranche und gibt konkrete Handlungsempfehlungen für konsistente und nachhaltige Markenkommunikation. Darüber hinaus ist er CEO und Geschäftsführer der trumedia GmbH, die seit 2009 globale Konzerne, mittelständische Unternehmen sowie vielversprechende Start-Ups aus allen Wirtschaftsbereichen – von Automotive über Finance, Food, Fashion und Sports bis hin zu Medical – hinsichtlich Markenführung und -entwicklung unterstützt.