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Die Top-Nachrichten aus Augsburg

Sebastian Kneipps Lehren vom gesunden Leben

Sebastian Kneipps Lehren vom gesunden Leben

Sebastian Kneipps Lehren vom gesunden Leben sind von zeitloser Aktualität. Für den Augsburger Unternehmer Karl Mühlberger sind sie probates Mittel gegen die Folgen des „fieberhaften Hastens und Drängens aller im Kampfe um Erwerb und sichere Existenz“, die der Pfarrer aus Wörishofen schon vor 150 Jahren ins Visier nahm.

Da standen wir nun. Die Hosen hochgekrempelt, Socken und Schuhe am Bachufer geparkt und wateten den Waldrand entlang. „Du wirst sehen, wie gut das tut“, hatte mein alter Freund Karl Mühlberger gemeint, Inhaber einer Druckerei in der Augsburger Innenstadt. „Bringt mehr als ein Abstecher in den Biergarten.“ Auch wenn ich diese Meinung nicht unmittelbar und im Überschwang teilen wollte: Jetzt, da das kühle Wasser um meine Waden spülte, da war die Wirkung doch sehr erfrischend, ja sogar belebend an diesem schwülheißen Sommertag. „Da braucht man eigentlich noch gar keinen Kneipp, um das gut zu finden“, meint Karl jetzt über die Schulter zu mir. „Man braucht sich nur zu erinnern, wie wir das als Kinder gemacht haben. Weißt Du nicht mehr …?“ Stimmt. Damals, seine Eltern hatten einen Garten am Holzbach in Haunstetten, waren wir ewig lang durchs Wasser gepirscht, fast so lange, bis uns Schwimmhäute zwischen den Zehen wuchsen … Und Kneipp war das, was die Oma machte.

Heute ist Kneipp alles andere als Oma. Heute ist Kneipp die Keimzelle dessen, was landauf, landab unter dem Etikett „Wellness“ dafür sorgt, dass stressgeplagten Arbeitsmenschen leicht bekömmlich gesundheitsfördernde Maßnahmen zuteil werden. Wo auch immer wir schwimmen, saunen, baden, ist Wasser im Spiel. Das Element des Lebens ist längst mehr als bloßes H2O, es ist Kultgegenstand und Genussmittel, seine Verpackung signalisiert Lifestyle und Vielfalt.

Kalte Füße – eine Frage der Einstellung

Fraglos muss auch eine Therme Bad Wörishofen heute karibisches Flair unter Palmen versprühen, wenn sie im Konzert der gesunden Wassererlebnisse wahrgenommen werden will. Aber die thermische Wirkung auf den Körper ist keine andere als jene, die Pfarrer Kneipp einst beschrieb. „Meistens fühle ich mich im warmen Wasser ja wohler als im kalten“, grinst Mühlberger, während wir im Solebecken schweben. „Der erste kalte Guss kostet immer Überwindung. Aber wenn man dann erst mal die Wirkung spürt, kann man richtig süchtig danach werden.“ Sein Favorit: zuerst in die Sauna und dann unter die wild nach unten stürzenden Wasserfälle der Felsenduschen. Die Dreiviertelstunde über die B17 und die A96 nach Süden investiert der Unternehmer immer wieder mal gern, um die Kräfte für den Alltag auch unter der Woche bei Bedarf aufzufrischen.

Und das lässt sich naht- und mühelos von der Arbeit abknapsen? „Kaum irgendein Umstand kann schädlicher auf die Gesundheit wirken als die Lebensweise unserer Tage: ein fieberhaftes Hasten und Drängen aller im Kampfe um Erwerb und sichere Existenz“, zitiert Drucker Mühlberger den historischen Gesundheitspfarrer. „Der Satz hat mich beim ersten Mal schon fasziniert, als ich ihn gehört habe. Man muss sich das vorstellen: Das ist 150 Jahre her, die Industrialisierung steckte noch in den Kinderschuhen, von Mobilität und Internet war noch nicht die Rede – und doch hat da einer schon erkannt, dass es nicht gesund sein kann, wenn man blind mit dem Fortschritt rennt.“

Dabei war der Geistliche kein Blockierer oder Anti-Modernisierer. „Nicht etwa, dass die Errungenschaften unserer Zeit wieder geopfert werden müssten,“ schreibt er, „aber es muss ein Ausgleich gefunden werden, um die überanstrengten Nerven zu stärken, ihre Kraft zu erhalten; es muss ein Gleichgewicht hergestellt werden zwischen der Arbeit und Lebensweise – und dem Verbrauch auch der Nervenkraft.“ Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als: Kneipp nahm das Konzept der „work-life-balance“ vorweg. Wobei ihm die spirituelle Komponente mindestens genauso wichtig war wie die physische: „Wie viele Leute findet man im heutigen Leben, die, so lange ihre Kräfte reichten, nur auf ihr Geschäft versessen waren, aber an keinen Gott, an keine Religion dachten. Ihren Frieden, ihr Glück suchten sie nur im Zeitlichen; jetzt sind ihre Kräfte erlahmt, sie verfallen in Trübsinn, arten zu Neuras­thenikern aus.“ Menschen also mit Störungen im vegetativen Nervensystem. Die Wartezimmer der Arztpraxen sind voll damit – und sie wären noch voller, wenn jeder, der darunter leidet, erkennen würde, was ihn da wirklich plagt und lustlos macht.

Der einfache Weg ist der Beste

Mühlberger räumt ein, dass die Einfachheit Kneipps in unserer hochtechnisierten und durchforschten Welt nicht immer leicht zu befolgen ist, dass einem manchmal auch Zweifel daran kommen, dass der schlichte Weg der beste sein soll, dass man manchmal sogar fürchtet, sich lächerlich zu machen angesichts all der medial-machtvollen Gesundheitsgurus. „Da geht’s dem alten Pfarrer ein bisschen so wie dem Friedrich Merz mit seinem Bierdeckel-Steuersystem: Jeder Steuerzahler fände das im Prinzip toll, aber jeder Politiker hat Angst, dass dann die schönen steuerrechtlichen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte hinfällig wären. Und hier: Jeder würde nur zu gern glauben, dass Wasser, Kräuter und ein ausgewogener Lebenswandel helfen, aber die Zweifel befallen einen mit jedem neuen Mittelchen, das durch die Medien geistert …“

Letztlich hat sich der Pfarrer aus Wörishofen als wahrer Prophet erwiesen, indem er der zwanghaften Welt der Erwachsenen die heilsame Wirkung kindlicher Prinzipien gegenüberstellte. „Kinder, welche bereits stehen und gehen können, wissen sich schon selbst zu helfen. Ohne alle Menschenrücksichten werfen sie die lästigen, die Füße quälenden Schuhe und Strümpfe von sich und sind ganz glückselig, besonders zur Frühjahrszeit, wenn man sie sich frei herumtummeln lässt“, schrieb er in seinem Standardwerk „Meine Wasserkur“. „Manchmal blutet eine Zehe, doch das hält sie nicht ab, bald wieder barfuß zu gehen. Die Kinder tun dieses ganz instinktiv, einem gewissen Naturtriebe folgend, den wir Alte auch verspüren würden, wenn die überfeinerte, schablonierende, Schraubstockdienst tuende, alles Natürliche wegdrechselnde Bildung uns nicht vielfach allen gesunden Sinn genommen hätte.“

Auf den Spuren der Römer

Wir sind am Bach wieder dort angekommen, wo wir vorhin unser Schuhwerk und die Socken geparkt haben. Es kostet nicht wenig Überwindung, die Freiheit abzuschütteln und wieder in die Konventionen hineinzuschlüpfen. Ein paar Blätter wild wachsender Minze am Ufer geben uns eine letzte Erfrischung mit auf den Weg zurück in den Alltag. „Das Schöne ist“, meint Karl Mühlberger, „dass es in unserer Gegend überall Wasser gibt, dessen Kraft man sich kostenlos gönnen kann. Darum haben die Römer ihr Augusta Vindelicum dorthin gebaut, wo es heute noch steht. Da­rum haben die Handwerker die Kanäle durch die Unterstadt gebaut und die Patrizier die Brunnen in die Oberstadt. Darum ist aus Augsburg eine Wirtschaftsmacht geworden. Und wir machen uns Gedanken um die Nutzung erneuerbarer Energien! Der Kneipp, der hat das damals schon erkannt …“