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Wenig Platz für Fehler: Die Stahlbranche im Überblick
Martin Engelmann, WTS Advisory AG

Wenig Platz für Fehler: Die Stahlbranche im Überblick

Martin Engelmann, Senior Consultant bei der WTS Advisory AG und Experte für Transaction Advisory. Foto: WTS

Martin Engelmann, Senior Consultant bei der WTS Advisory AG und Experte für Transaction Advisory,erklärt im Interview, welche besonderen Herausforderungen die aktuelle weltpolitische Lage mit sich bringt – und wie diese gemeistern werden können.

B4BSCHWABEN.de: Herr Engelmann, Sie sind Experte in der Stahlbaubranche. Wie hat sich diese in den vergangenen fünf Jahren entwickelt?

Martin Engelmann: Grundsätzlich waren es schwierige Zeiten für die Branche. Im Jahr 2020 sind die Umsätze der Stahlbauer um knapp 23% eingebrochen und haben sich seitdem nur mäßig erholt. Im deutschlandweit dominierenden schweren Stahlbau zum Beispiel, konnten Gießereien bestenfalls eine EBITDA-marge von etwa drei Prozent erzielen. Auch bezüglich EBITDA-Multiples für die Unternehmensbewertung lässt sich eine Verringerung um etwa 75% in den letzten vier Jahren feststellen. In der Branche machen die Kostenfaktoren Material, Personal und Energie mehr als 85% der Gesamtkosten aus. Die Preise für Rohstoffe, insbesondere Stahl, sowie die Energiepreise beeinflussen die Branche sehr stark. Zudem besteht ein intensiver Wettbewerb, vor allem von Niedriglohnländern in Osteuropa und der Türkei. Die Abnehmerbranchen verfügen über eine beträchtliche Verhandlungsmacht. Aufgrund der knappen Gewinnmargen haben selbst geringfügige Veränderungen in der Kostenstruktur erhebliche Auswirkungen auf die Akteure der Branche. Diese Faktoren sorgen unter anderem auch für die sich jüngst häufenden Meldungen über Insolvenzen, wie beispielsweise der Heger Gruppe.

Kann die Pandemie als Auslöser des Umsatzeinbruches ausgemacht werden?

Die Branche war bereits vor Corona angeschlagen. Dennoch hat die Corona Pandemie als Brandbeschleuniger gewirkt. Das erste Problem, welches maßgeblich auftrat, waren die Lieferkettenprobleme. Da etwa 38% aller Importe der Stahlindustrie aus China kommen, stellte das deutsche Stahlbauern vor massive Herausforderungen. Auch die hohe Abhängigkeit von Materialkosten, wiegt schwer in dieser Zeit. Der resultierende Lagerbestandsaufbau stand daraufhin teils kürzeren Zahlungszielen gegenüber. Auch Factoring wurde zunehmend schwieriger, aufgrund sich teils negativ entwickelnden Kundenbonitäten. Es bestand folglich Finanzierungsbedarf des kurzfristigen Umlaufvermögens.

Die jüngst durch den Ukraine Krieg und daraus folgenden Sanktionen entstandenen erhöhten Material- und Energiekosten konnten teils nur stark verzögert weitergereicht werden. Dadurch entstanden in der Branche vermehrt Liquiditätsprobleme, die durch die Zinserhöhungen auch nicht einfach fremdfinanziert werden konnten. Dies spiegelt sich auch im deutlichen Einbruch um etwa 50% im M&A Markt wieder. Dies trifft sowohl auf die Anzahl der Transaktionen in der Stahlindustrie, als auch das durchschnittliche Dealvolumen zu. 

Klingt mit den sinkenden Strompreisen nun der Krisenmodus aus?

Ich halte eine solche Schlussforderung für verfrüht und würde sie mit Vorsicht genießen. Durch den deutschen Atomausstieg stellt sich nun die Frage ob die Infrastruktur unserer grünen Alternativen mittelfristig den Energiebedarf deckt. Vorerst sind zwar die Energiepreise wieder rückläufig, allerdings ist es fraglich, ob sich das auch im kommenden Winter so halten wird.

Haben deutsche Gießereien denn überhaupt noch eine Chance mit der asiatischen Konkurrenz mitzuhalten?

Die Standorte Deutschland und Europa werden nicht abgeschrieben, um Sicherheiten in der Supply-Chain weiter aufrecht zu erhalten. Aufgrund des Konflikts in Taiwan ist außerdem zu beobachten, dass immer mehr Unternehmen sich aus China zurückziehen wollen. Allerdings profitiert momentan Indien vehement von den Produktionsumzügen. Aus aktuellen Investorengesprächen geht Marokko als attraktiver neuer Produktionsstandort hervor, aufgrund niedriger Löhne und logistischen Kapazitäten (Hafen Tanger). Hier bietet sich für deutsche Unternehmen die Gelegenheit durch strategische M&A Transaktionen bereits bestehende Strukturen vor Ort frühzeitig zu übernehmen und sich einen first-mover Vorteil zu sichern.

Wie ist nun der Ausblick auf die Zukunft für die deutsche Stahlbranche?

Trotz all dieser Herausforderungen nehme ich die Stimmung in der Branche dennoch eher optimistisch wahr. Viele Branchenteilnehmer erwarten einen Bau-Boom, etwa im Bereich der Windkraftanlagen, wie aus Gesprächen mit Teilnehmern der Windmesse-Kopenhagen herauszuhören war. Derartige Entwicklungen würden die Auftragslage natürlich verbessern. Auch an die Probleme der Energie- und Rohstoffpreise scheint man sich angepasst zu haben, weshalb mittelfristig ein Wachstum erwartet wird. Gleichzeitig bietet sich Stahlproduzenten auch im Bereich M&A die Chance günstige Zu- bzw. Aufkäufe zur Konsolidierung zu tätigen und so stärker wieder aus der Krisenzeit heraus zu kommen. Hierfür bedarf es jedoch guter Vorbereitung. Nichts desto trotz bleibt es abzuwarten was wirklich auf die Branche zu kommt. Fest steht allerdings, dass für Stahlbauern in Anbetracht des hohen Drucks von außen wenig Platz für Fehler bleibt.