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Gewerberaummiete und Covid-19-Lockdown
Alexandra Schreiber

Gewerberaummiete und Covid-19-Lockdown

Alexandra Schreiber, Rechtsanwältin der Augsburger Wirtschaftskanzlei SCHEIDLE & PARTNER. Foto: SCHEIDLE & PARTNER

Mögliche Ansprüche auf Anpassung von Mietverträgen für Gewerberäume infolge von Betriebsschließungen im Zusammenhang mit staatlichen Covid-19-Maßnahmen werden von den Instanzgerichten nach wie vor unterschiedlich entschieden. Höchstrichterliche Rechtsprechung steht derzeit noch aus. Rechtsanwältin Alexandra Schreiber von der Wirtschaftskanzlei SCHEIDLE & PARTNER gibt einen Überblick über den Diskussionsstand und Tipps für Lösungen in der Mietrechtspraxis.

Obwohl die ersten Beschränkungen zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie seit über einem Jahr die Gerichte auch im Bereich der Gewerberaummiete beschäftigen, sind die Regelungen und Vorgaben zur Mietminderung oder Vertragsanpassung bei den befassten Gerichten nach wie vor hoch umstritten. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einem Urteil vom 24.02.2021 die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen – mit einer Begründung, die die Problematik eindrucksvoll zusammenfasst: Vor dem Hintergrund der in Literatur und Rechtsprechung streitigen Fragen zum Vorliegen eines Mangels des Mietobjekts durch die angeordneten Schließungen, der Unmöglichkeit der Leistung der Vermieter, die zu einer Minderung der Miete bzw. zu einem Wegfall der Mietzahlungspflicht führen würden, ohne dass es auf die in ihrer Erforderlichkeit ebenfalls umstrittene Darstellung der Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertragsverhältnis ankäme, hat der Senat zur Fortbildung des Rechts die Revision zugelassen. Mit einer abschließenden Beurteilung des Bundesgerichtshofs zu – wenigstens einzelnen – der umstrittenen Fragen wird wohl in diesem Jahr nicht zu rechnen sein.

(K)eine Mangelhaftigkeit der Mietsache?

Zwar sind die Gerichte nahezu einhellig der Rechtsauffassung, dass die staatlich angeordneten Maßnahmen zur Schließung oder eingeschränkten Nutzung von Gewerberäumen zur Eindämmung der Covid-19 Pandemie nicht dazu führen, dass ein Mangel der Mietsache vorliegt, der den Mieter unter anderem zur Mietminderung berechtigen würden. Das Oberlandesgericht Frankfurt begründet dies in seiner jüngsten Entscheidung vom 17.09.2021 damit, dass Hauptflicht des Vermieters nur die Verschaffung der Gebrauchsmöglichkeit, sowie Aufrechterhaltung des dem Verwendungszweck entsprechenden Zustandes ist. Die behördlich angeordneten Einschränkungen wirkten sich jedoch nicht objektbezogen aus, sondern bezögen sich inhaltlich auf den Betrieb des Mieters. Der Vermieter schulde allein die Möglichkeit, in den überlassenen Räumen einen Geschäftsbetrieb mit dem konkret vereinbarten Zweck zu führen – aber nicht in irgendeiner Weise die Überlassung des Betriebs selbst.

Dies bleibt bislang jedoch der einzige gemeinsame Nenner der meisten Gerichte.

Möglichkeit der Vertragsanpassung?

Denkbar ist auch ein Anspruch des Mieters auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB. Der Mieter hätte danach einen Anspruch auf Vertragsanpassung, wenn sich ein Umstand, der zur Grundlage des Vertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat, die Parteien bei Kenntnis dieser Veränderung den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, und dem Mieter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Die Instanzgerichte vertreten jedoch auch in dieser Hinsicht unterschiedliche Auffassungen darüber, ob § 313 Abs. 1 BGB überhaupt dem Grunde nach Anwendung findet. 

Befeuert wird die Diskussion durch die Neuregelung in Art. 240 § 7 EGBGB. Sind vermietete Gewerberäume infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird nach dieser Bestimmung vermutet, dass diese staatlichen Maßnahmen eine schwerwiegende Veränderung der Umstände darstellt, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind. Über die Anwendbarkeit des § 313 Abs. 1 BGB sagt dies jedoch nichts aus.

Zwar wird in der Regel davon auszugehen sein, dass die Vertragsparteien bei Abschluss des Mietvertrages davon ausgegangen sind, dass während der Vertragslaufzeit die Folgen einer Pandemie, die den Geschäftsbetrieb in den Mieträumen beschränken oder unmöglich machen, nicht eintreten. Auch hierzu lassen sich entsprechende Tendenzen der Rechtsprechung erkennen.

Frage der Zumutbarkeit

Sehr umstritten ist jedoch die Frage, wann dem Mieter das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann – oder anders ausgedrückt, ab wann der Mieter einen gesetzlichen Anspruch auf Vertragsanpassung hat. Grund hierfür ist, dass nach der gesetzlichen Regelung „alle Umstände des Einzelfalls“ berücksichtigt werden müssen. So wird teilweise vom Mieter gefordert, er müsse eine konkrete Existenzgefährdung darlegen und beweisen. Teilweise soll eine „schwere Störung“ ausreichen. Nach Einsicht einzelner Gerichte ist sogar zu vermuten, dass eine Existenzbedrohung gegeben ist, wenn die angeordnete Schließung länger als einen Monat andauert – die Beweislast für das Nichtvorliegen einer Existenzbedrohung wird dabei dem Vermieter auferlegt. Das Kammergericht Berlin wollte sich in einer Entscheidung vom 01.04.2021 jedoch nicht mit der Frage befassen, wie der Vermieter beweisen soll, dass gerade keine Existenzbedrohung vorliegt, sondern billigte eine pauschale Herabsetzung der Miete um die Hälfte. Nach Auffassung des Kammergerichts sei es gerechtfertigt, Mieter und Vermieter das Risiko einer Betriebsschließung hälftig aufzubürden.

Eine einheitliche Linie, unter welchen Voraussetzungen der Mieter eine Vertragsanpassung verlangen kann, und vor allem welche Art der Vertragsanpassung als angemessen (in Betracht kommen z.B. Mietminderung, Erlass des Mietzinses oder Stundung) anzusehen ist, lässt sich der Rechtsprechung bisher nicht entnehmen; allerdings handelt es sich – wie oben erwähnt – stets um Einzelfallentscheidungen, die sich nur schwerlich verallgemeinern lassen. Zur Vermeidung langwieriger Gerichtsverfahren sind auch Vermieter daher gut beraten, wenn eine einvernehmliche Lösung mit dem Mieter gefunden wird – dies insbesondere vor dem Hintergrund der üblicherweise langjährig festgeschriebenen Vertragslaufzeit und der Erwartung einer kooperativen Zusammenarbeit bis zur Vertragsbeendigung.

Schriftformkonformer Nachtrag zum Vertrag

Zu empfehlen ist daher der Abschluss eines schriftformkonformen Nachtrags zum Mietvertrag. Nur mittels vertraglicher Regelungen zur Frage ob, und in welcher Höhe der Mietzins aufgrund der Einschränkungen durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid19-Pandemie angepasst ist, können jahrelange Rechtstreitigkeiten mit unklaren Erfolgsaussichten (für beide Parteien) verhindert und (weitere) Planungssicherheit geschaffen werden.

Wie wichtig dabei die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform (vgl. §§ 550, 578 Abs.1 BGB) gerade bei Gewerberaummietverhältnissen ist, zeigt sich erneut in der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Viele (Gewerberaum-)Mietverträge enthalten in den Schlussbestimmungen eine sogenannte Vollständigkeitsklausel. Diese Klausel besagt in der Regel, dass mündliche Nebenabreden nicht bestehen. Hiermit ist jedoch im Zweifel weder Mieter noch Vermieter geholfen.

Denn der Bundesgerichtshof urteilt, dass einer Vollständigkeitsklausel gerade keine unwiderlegbare Vermutung für das Nichtbestehen mündlicher Abreden entnommen werden kann. Der Vertragspartei, die sich auf eine mündliche Nebenabrede zum Vertrag beruft, ist daher nach wie vor der Beweis einer mündlichen Nebenabrede möglich.

Damit gerät die Befristung des Mietvertrages – und der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts – in Gefahr. Denn wird ein Mietvertrag für eine längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit geschlossen. Gilt der Gewerberaummietvertrag jedoch für unbestimmte Zeit geschlossen, kann er von jeder Vertragspartei unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen ohne Angabe von Gründen ordentlich gekündigt werden.

Auch den sogenannten Schriftformheilungsklauseln hat der Bundesgerichtshof bereits im Jahre 2017 eine Absage erteilt. Mit einer Schriftformheilungsklausel wollten sich die Parteien gegenseitig verpflichten, sämtliche Regelungen betreffend den Mietvertrag, d.h. sämtliche Nachtrags-, Änderungs- und Ergänzungsvereinbarungen nur dem gesetzlichen Schriftformerfordernis entsprechend abzuschließen. Solche Klauseln sind nach Ansicht der Karlsruher Richter nicht mit der gesetzlichen Konzeption vereinbar und daher unwirksam – und zwar sowohl in Allgemeinen Geschäftsbedingungen als auch in Individualvereinbarungen. Jeder Vertragspartei ist es daher grundsätzlich unbenommen, den Mietvertrag unter Berufung auf den Schriftformmangel ordentlich zu kündigen.

Fazit: Damit die bei Vertragsabschluss bestehende beiderseitige Erwartung einer jahrelangen Kooperation nicht aufgrund der Covid-19 Krise, die immer noch nicht vollständig überwunden scheint, in Schieflage gerät, ist der Abschluss eindeutiger und sorgfältig ausformulierter Nachtragsvereinbarungen zum Mietvertrag unerlässlich. Dabei empfiehlt sich die Beratung durch Rechtsanwälte mit Spezialisierung und Erfahrung im Mietrecht.